Donnerstag, 28. Februar 2013

Es ist Wahlkampf - und der Gesetzgeber fährt Achterbahn beim Fracking

Soviel widersprüchliche Aussagen zu ein und demselben Thema in so kurzer Zeit  - das hat bisher nur Umweltminister Altmaier zustande gebracht. Es geht um's Fracking, also um die Förderung von Erdgas aus großen Tiefen unter Einsatz von Druck und Chemie.
Zunächst hieß es, das Fracking werde noch vor der Bundestagswahl per Gesetz erlaubt (wir berichteten hier). 
Dann hieß es Altmeier und Rösler seien noch nicht einig.
Am 26.02.2013 hieß es wieder, die gesetzlichen Grundlagen für das Fracking würden bis Sommer 2013 geschaffen.
Am 27.02.2013 war von einem erheblichen Widerstand der Länder die Rede. Worauf Altmaier noch am gleichen Tage verkünden ließ, Fracking werde es in Deutschland in absehbarer Zeit nicht geben.

OK - Es ist Wahlkampf. Und irgendwie wäre es toll, wenn man noch vorm Urnengang die große Energiewende verkünden könnte. Allerdings will man auch die Umweltfraktion nicht schon vor der Wahl verprellen. Vor allem nicht, wenn man Umweltminister ist.

Bitte, bitte, Herr Altmaier: Wir juristische Praktiker haben genügend leidvolle Erfahrungen mit Gesetzen, die fünf vor zwölf mit der heißen Nadel zusammengeschustert werden, damit eine Regierung Arbeitsnachweise vorlegen kann. Es dauert immer Jahre, bis die Rechtsprechung dann soviel Ordnung geschaffen hat, dass alle einigermaßen wissen, wo es langgeht.
Macht Fracking bitte nicht zum Wahlkampfthema. Denn gerade hier ist Augenmaß im hohen Grade angebracht, und ein Schnellschuß sicher das falsche Mittel der Wahl. Warum? Weil bereits jetzt  absehbar ist, dass das durch Fracking hervorgerufene "Energie-Wunder" in den USA sich mittelfristig als Luftnummer herausstellen wird. Es basiert auf einer wirtschaftlichen Fehlkalkulation, wie Jürgen Döschner bei tagesschau.de eindrucksvoll dokumentiert. Wer in drei Minuten wissen will, welche Argumente außer den drohenden Umweltschäden gegen das Fracking sprechen, der kann sich mit dem Tagesschau-Artikel optimal informieren. 

Dienstag, 26. Februar 2013

EuGH stärkt Rechte der Fluggäste - Schadensersatz bei Verspätung verbessert


 Grundsätzlich haften Fluggesellschaften für die Schäden, die eintreten, wenn ihr Flug verspätet abgeht. Das sieht die Fluggastrechteverordnung der EG (Verordnung 261/2004, hier eine kurze Zusammenfassung )  vor. Und zwar gibt's Pauschalen wie folgt:


Entfernung /km)Ausgleich (€)Verspätung bis (h)
bis 15002502
1500 - 35004003
ab 35006004

Schon der BGH hatte geurteilt, dass es auf die Verspätung beim und die Entfernung zum Endziel ankommt: Geht der Zubringerflug nur zwei Stunden zu spät ab, wird deswegen aber der Anschlußflug verpasst und kommt zB. eine Gesamtverspätung von 8 Stunden zusammen, werden 600,00 € fällig, obwohl die Fluggesellschaft nur zwei Stunden zu spät dran war, vgl. BGH v. 14.10.2010 =  Xa ZR 15/10, hier die Pressemeldung zum Urteil und hier der Bericht auf tagesschau.de
Identisch hat jetzt der EuGH entschieden. Auch er stellt bei Etappenflügen auf die Gesamtstrecke und die Gesamt-Reisezeit ab , hier der Bericht auf tagesschau.de.

Und auch bei Flugausfällen sind die Fluggäste nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH nun besser dran: Als 2010 der unaussprechliche isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach und der Flugverkehr über fast ganz Europa stilllag, saß ein irischer Fluggast in Portugal fest und konnte erst mit einwöchiger Verspätung nach Hause reisen.  Ryanair wollte die über 1000 € für Hotel und Verpflegung nicht zahlen, aber der EuGH sprach den Schadensersatz zu: " Die Airline müsse auch in einem solchen Fall zahlen. Es gebe dafür auch keine zeitliche Begrenzung, stellte das Gericht fest. Gerade, wenn die außergewöhnlichen Umstände lange anhielten, sei eine Betreuung der Passagiere besonders wichtig.." berichtet auch hier tagesschau.de.

(C) Foto: netz-foto.de auf www.pixelio.de

Montag, 25. Februar 2013

Dem einen taugt's, dem anderen stinkt's - Abercombie & Fitch setzt ganze Straßenzüge unter Parfüm

...und verstößt damit gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz? Ganz ausgeschlossen ist das nicht.
Die Kult-Klamotten-Kette macht nicht nur durch spektakuläre Auftritte ganzer Horden von Waschbrettbauch-Trägern und durch krude Arbeitsbedingungen auf sich aufmerksam (siehe unseren Bericht "Kontrollfreaks im Kultladen"). Sie bläst auch systematisch in großen Mengen durch ihre Entlüftungsanlagen Parfümduft auf die Straße vor dem Store, um Kunden anzulocken. Anwohner in Hamburg und München klagen inzwischen über "Gestank wie von einer Fabrik", denn je nach Wetterbedingungen staut sich nämlich der Geruch über lange Zeit in der Straße. Manchmal riecht man den Laden schon "...zwei Straßenzüge weit entfernt" (so der Bericht in der Münchener Abendzeitung).
In München und Hamburg prüfen die Behörden jetzt die Immissionswerte; denn es könnte tatsächlich ein Verstoß gegen § 22 BImSchG vorliegen . Abercombie & Fitch ist zwar kein Betrieb,  der "...in besonderem Maße geeignet ist, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen..." vgl. § 4 BImSchG. Und damit ist die Klamotten-Kette grundsätzlich nicht genehmigungspflichtig wie z.B. ein Chemiewerk. Allerdings müssen auch nicht genehmigungspflichtige Unternehmen immissionsschutzrechtliche Mindestvorgaben einhalten, und die stehen in § 22 BImSchG. Und der könnte hier durchaus greifen, wie Dr. Alfred Scheidler in einem aktuellen Artikel auf Legal Tribune Online darstellt.
Die direkten Anwohner jedenfalls klagen über Reizüberflutung: Ihnen stinkt's gewaltig.


Ferrari aus Video weggepixelt - Sportwagenfirma will nicht mit Nahrungsmittelspekulation in Verbindung gebracht werden.

Leiser Wind, zwitschernde Vögel und eine junge Frau, die am Rande der Sahel-Zone vor ihrer Hütte auf dem Boden sitzt und das Essen für Ihre Kinder bereitet. Die Idylle wird jäh zerstört durch einen Sportwagen, dessen Hersteller-Namen wir nun nicht mehr nennen wollen, und der mit heulendem Motor und quietschenden Reifen heranbraust. Ein Banker steigt aus, entreißt den Kindern das karge Essen, lädt es ein in die grellrote Flunder und rast davon. Aus dem Off ist zu hören: "Die Gier unserer Banker ist so groß, dass sie sich selbst an den Ärmsten dieser Welt bereichern. Stoppen Sie die menschenverachtende Spekulation mit Nahrungsmitteln. Jetzt Initiative unterschreiben - auf Solidar.ch." Den Spot gibt's hier zu besichtigen - bitte vor allem das Ende genießen.

Offenbar hat die Spekulation mit Nahrungsmitteln inzwischen einen so schlechten Ruf, dass nicht einmal ein gewisser italienischer Sportwagenhersteller noch damit in Zusammenhang gebracht werden möchte. Zwar verkauft er seine überwiegend roten Fahrzeuge (die wegen eben dieser Farbe auch z.T. namensgebend für den Fahrzeugtyp sind) gern auch an Banker und Lebensmittelspekulanten, will diese Tatsache aber nicht hervorgehoben wissen und hat deshalb Solidar.ch abgemahnt; der Wagen darf im Video nicht zu erkennen sein. Ist er jetzt auch nicht mehr. Solidar.ch hat ihn einfach weggepixelt. Und wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen. Das Video ist dadurch noch besser geworden. Wenn Sie - ähnlich wie der italienische Autohersteller - ihre Abneigung gegen Nahrungsmittelspekulation kundtun wollen, können Sie hier die Petition dagegen unterschreiben

Diese Kampagne ist übrigens nicht die erste von Solidar-Suisse. Sehr erfolgreich war auch die, die sich für fairen Handel von Kaffee einsetzte und bei der Nestle ("Nespresso") nicht sehr gut weg kam. Hier das fast noch spektakulärere Video von damals. George Clooney persönlich hat sich anschließend bei Nestle dafür eingesetzt, dass nun wenigstens eine fair gehandelte Sorte im Sortiment ist.  Es bringt also etwas, zu unterschreiben.


Mittwoch, 20. Februar 2013

Amazon: Auch die bundesagentur für Arbeit stellt Gesetzesverstöße fest.

Mehrere Tausend Leiharbeiter hatte Amazon zur Bewältigung des Weihnachtsgeschäfts bei der Arbeitnehmervermittlung Trenkwalder geordert. Sie kamen aus Spanien, Rumänien, Bulgarien, Polen etc. und bekamen Arbeitsverträge mit täglicher Kündigungsfrist und Stundenlöhnen unter 9 Euro brutto. Ihre Behandlung erinnerte stark an die Zustände, unter denen chinesische Wanderarbeiter ihr Leben fristen müssen. Die ARD berichtete letzte Woche unter dem Titel "Ausgeliefert" (hier noch einmal die komplette Sendung).
Die Berichterstattung zeigte Wirkung: Shitstorm im Internet, zahlreiche Kunden sprangen ab, Lieferanten beklagten Knebelverträge, das Kartellamt schaltete sich ein, Amazon selbst kündigte zwei Unternehmen, die es zur Unterbringung und Überwachung der Zeitarbeiter angeheuert hatte - und nun ergab auch noch eine Sonderuntersuchung der Bundesagentur für Arbeit, dass es im Rahmen der Abwicklung der Leiharbeitsverhältnisse zu Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gekommen ist. Hier der aktuelle Beitrag von tagesschau.de.

Langsam kommt es so richtig dick für Amazon - zumal der Branchenriese zum ersten Mal seit 2003 einen Quartalsverlust eingefahren hat.
Und damit stellt sich die Frage: Ist dieses auf Preisoptimierung und maximale Ausnutzung humaner Ressourcen ausgerichtete Geschäftsmodell zum Zwecke schneller Befriedigung unserer Konsumlust auf Dauer wirklich tragfähig? Oder sollten wir nicht doch lieber Amazon Amazon und Spontankauf per Mausklick Spontankauf sein lassen und uns wieder im lokalen Buch- bzw. sonstigem Einzelhandel eindecken? Oder auch im Internet? Wenn die Lieferung ein oder zwei Tage länger dauert und dafür aber niemand ausgebeutet werden muss?

Wäre zu überlegen...

"Sexuell suggestives Material" - Englands Werbeaufsicht setzt Kira Knightley auf den Index.

Wann findet man schon mal eine typische Klatsch-Geschichte im Wirtschaftsteil der Südeutschen Zeitung? Wenn Kira Knightley für Coco Chanel einen Werbespot dreht, der "eindeutige sexuelle Anspielungen" enthält.
Folgenden Inhalt hat der Spot:  Knightley lässt ein Foto-Shooting von sich machen, und zwar von einem Fotografen, den  frau als einen "äußerst schnuckeligen Kerl" beschreiben könnte. Dieser tritt mit einem kompletten Team an, um die Sache möglichst professionell durchzuziehen. Allerdings hat Kira, bevor sie von zu Hause aus mit dem Motorrad zum Shooting losgebraust ist, die aktuelle Creation von Chanel aufgelegt - und das macht sie schlicht unwiderstehlich. Nun noch ein wenig mit dem Reißverschluß herumspielen - und schon schickt der Fotograf sein Personal in die Pause, um sich der die Hüllen fallen lassenden Kira intensiv zu widmen. Diese allerdings ist flüchtig wie das Parfüm, das sie trägt - und unser Fotograf findet sich umgehend alleingelassen ...

Das Ganze lief - in der Tat ein wenig unpassend - in einer Werbepause von "Ice Age II" in den britischen Kinos. Ein zwar schöner, aber leicht angejahrter Film, der vor allem noch im Matinee-Programm läuft und deshalbin erster Linie von Eltern mit Kleinkindern angeschaut wird. Und dann das...!
Der Sturm der Entrüstung war groß - Kiras nackter Rücken war zu sehen! Und das Ganze dann auch noch musikalisch hinterlegt mit Christina Aguileras schwülstigem James-Brown-Cover von "It's a Man's World"

Die Eltern liefen Sturm, und die britische Werbeaufsicht - reagierte systembezogen vernünftig: Bitte den Spot nicht mehr in der Werbepause von Filmen zeigen, die vorrangig von Kleinkindern frequentiert werden. Ansonsten sei Chanel/Knightleys Auftreten in der Männerwelt auch "für etwas ältere Kinder bereits zumutbar": The Guardian zitiert die Behörde wie folgt:
"We considered the ad was suitable for older children, but that the sexually suggestive material was unsuitable for young children. We therefore concluded that the ad was inappropriately scheduled and an ex-kids restriction should have been applied to prevent the ad from being broadcast in or around children's programming."
Sprich: Der Spot muss jetzt entschärft werden. Aber nur fürs Kinderkino - sonst darf er unverändert laufen.
An der verstaubten Botschaft nahm keiner Anstoß: Männer sind die Macher - Frauen riechen gut und nehmen sie in den Arm. Sie entscheiden neuerdings nur, wann sie es tun.
It's a Man's World...

Amazon in Visier des Bundeskartellamts - Preisparitätsklausel könnte gegen Kartellverbot verstoßen.

Amazon hat in den letzten Jahren seinen Vertragspartnern zum Teil knebelnde Vertragsbedingungen gestellt. Insbesondere eine Preisparitätsklausel stösst dem Bundeskartellamt jetzt übel auf: Wer ein Produkt bei Amazon anbietet, darf dasselbe Produkt an anderer Stelle im Internet nicht günstiger anbieten. Und dieses Verbot von Amazon betrifft nicht nur andere Online-Marktplätze wie Ebay, sondern auch die eigenen Online-Shops der Vertragspartner, wie tagesschau.de berichtet.
Diese "Preisparitätsklausel" könne gegen das allgemeine Kartellverbot verstoßen, ließ Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts heute verlauten. Werde der Wettbewerb zwischen den Internet-Marktplätzen durch die Beschränkung der Preisgestaltungbeschränkt, wofür einiges spreche, liege ein Kartellverstoß vor. Händler hätten normalerweise ein Interesse daran, ihre Waren an mehreren Stellen parallel anzubieten.
Das Kartellamt teilt mit, es habe mit der Befragung von 2400 Händlern begonnen habe, die ihre Waren unter anderem über Amazon anbieten.

Hier die Pressemeldung des Bundeskartellamts.

Dienstag, 19. Februar 2013

Und wieder ein kleines Stück mehr Gleichstellung für Schwule - BVerfG weitet Adoptionsrecht aus

Es ist keine große Sache, kein alltäglicher Sachverhalt, über den sensationell neu entschieden wurde. Aber das BVerfG lässt zum wiederholten Male keinen Zweifel daran, dass es auf der Gleichbehandlung von hetero- und homosexuellen Paaren besteht.
Hier ging es um die sukzessive Adoption: Ein Partner adoptiert ein Kind, später will das auch der andere tun. Die derzeitige Rechtslage erlaubt das nicht, und das BVerfG hat dem Gesetzgeber in die Agenda geschrieben, das bis zum 30.06.2014 zu ändern ( Urteil vom 19. Februar 2013 1 BvL 1/11  1 BvR 3247/09, hier die Pressemeldung).
Das Bundesverfassungsgericht äußert sich ganz klar:
"Der Ausschluss der Sukzessivadoption ist nicht damit zu rechtfertigen, dass dem Kind das Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern schade. Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe. Bedenken, die sich gegen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Elterngemeinschaften im Allgemeinen richten, wurden in der ganz überwiegenden Zahl der sachverständigen Stellungnahmen zurückgewiesen...
Auch die Sukzessivadoption an sich beeinträchtigt das Kindeswohl nicht, sondern ist diesem in den hier zu beurteilenden Konstellationen regelmäßig zuträglich. Nach Einschätzung der angehörten Sachverständigen ist sie geeignet, stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte zu entfalten. Ferner verbessert sie die Rechtsstellung des Kindes bei Auflösung der Lebenspartnerschaft durch Trennung oder Tod."
Aber das ist noch nicht alles:
"Der Ausschluss der Sukzessivadoption wird nicht durch den Zweck gerechtfertigt, eine Umgehung der gesetzgeberischen Entscheidung gegen die Zulassung der gemeinschaftlichen Adoption durch zwei eingetragene Lebenspartner zu verhindern. Dabei bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption mit dem Grundgesetz vereinbar ist, obgleich das Gesetz diese für Eheleute zulässt."
Kaum verhüllt gibt das BVerfG also zu erkennen, dass es sobald es die Gelegenheit dazu bekommt, wohl auch Korrekturen am § 1741 II BGB vornehmen wird, der eine gemeinschaftliche Adoption nur für Ehepaare und nicht für eingetragene Lebenspartnerschaften vorsieht. Vermutlich wird auch diese  Bastion der heterosexuellen Ehe bald geschleift sein. Und mit dem Ehegattensplitting ist das BVerfG ja auch schon befasst. Die Entscheidung soll noch dieses Jahr ergehen...

Montag, 18. Februar 2013

Zur Impressumspflicht in sozialen Netzwerken

Grundsätzlich müssen Unternehmen auf ihren Seiten bei sozialen Plattformen eine eigene Anbieterkennung vorhalten, wenn die Präsenz zu Marketingzwecken benutzt wird (vgl. LG Aschaffenburg, Urt. v. 19.08.2011, Az. 2 HKO 54/11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2007, Az. I-20 U 17/07 und zuletzt LG Regensburg, Urt. v. 31.01.2013, Az. 1 HKO 1884/12, zur letzten Entscheidung hier ein Bericht auf LTO).

Legal Tribune Online hat nun übersichtlich zusammengefasst, was es grundsätzlich zu beachten gilt: Impressum - Grundsätzlich ja, aber der Verweis auf die Internetseite reicht. Dieser sollte allerdings deutlich sichtbar auf ein Impressum hinweisen. lto bietet als Referenz-Seite die FacebookSeite des FC-Bayern an.

Wer nicht Opfer einer Abmahnung werden möchte, sollte sich bei Gelegenheit schnell drum kümmern und einen Link setzen.

(C) Foto: Tony Hegewald  / pixelio.de

Samstag, 16. Februar 2013

Amazon-Skandal - erste Verlage kündigen wegen Knebelverträgen die Zusammenarbeit auf.

Die ARD warf den Stein ins Wasser, und nun schlagen die Wellen an immer neue Ufer: Das Börsenblatt berichtet heute, dass sich - angewidert vom Umgang des Online-Kaufhauses mit seinen Angestellten - nun erste Verlage aus der Zusammenarbeit mit Amazon zurückziehen. Und Christoph Schroer vom Verlag Die Neue Sachlichkeit in Lindlar deckt in einem vom Böresenblatt veröffentlichten offenen Brief an Amazon auf, dass der Branchenführer unbedenklich von seiner Marktmacht Gebrauch macht und seine Vertragspartner nicht besser behandelt als seine Wanderarbeiter:

  • An Kleinverlage werden überzogene Rabattforderungen gestellt.
  • Lagerkosten werden in Rechnung gestellt, obwohl sie nicht anfallen.
  • Neu angelieferte Ware wird sofort als "Mängelexemplare" angeboten. 
  • Komissionsware wird zurückgeschickt, weil sie im Lager von Amazon beschädigt wurde und deshalb nicht mehr verkläuflich ist.
  • etc.etc.
 Noch lässt der Riese das alles an sich abperlen. Gestern wurde an alle Kunden, die sich bei Amazon beschwerten und alle Medien, die Auskunft wollten, dieselbe Erkärung verschickt. Den Wortlaut finden Sie hier. Pauschales Abstreiten aller Mängel - alles Bestens bei uns. Sollte doch was sein - das prüfen wir.

Fragt sich, wie lange dieses Mauern noch nützt. Noch zwei oder drei Geschichten über ungerecht behandelte Angestellte, noch ein oder zwei Berichte über die Steuertricks von Amazon... mal sehen, wie das weitergeht.

(C) Foto: Benjamin Thorn  / pixelio.de

Werbung für Wein: "Edition mild" darf sich nicht als besonders "bekömmlich" bezeichnen.

Unter der Bezeichnung "Edition Mild" und dem Hinweis auf "sanfte Säure" wollte eine Winzergenossenschaft aus der Pfalz ihre Weine der Rebsorten Dornfelder und Grauer/Weißer Burgunder anpreisen. Ihre Weine seien besonders bekömmlich, so die beabsichtigte Werbung der Genossenschaft. Das aber stieß auf das Missfallen der zuständigen Behörden, die derartige Äußerungen im Hinblick auf geltendes EG-Recht nicht zulassen wollten. Es kam zum Gerichtsverfahren, und tatsächlich: Das BVerwG stellt jetzt die Rechtswidrigkeit solcherart Behauptungen fest und untersagte die Werbung (Urt. v. 14.02.2013, Az. 3 C 23.12).

Unter dem Begriff "bekömmlich" verstehe ein durchschnittlicher Verbraucher nämlich, dass der Wein besonders magenfreundlich sei. Damit handele es sich aber um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Health-Claims-Verordnung über die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben bei Lebensmitteln). Für alkoholische Getränke dürfen solche gesundheitsbezogenen Angaben aber grundsätzlich nicht gemacht werden. Schon der EuGH hat entschieden, dass Angaben, die auf einen geringen Säuregehalt und die leichtere Verdauung abzielten, die Gefahren beim Trinken von Alkohol verschweigen und daher unzulässig sind (Urt. v. 06.09.2012, Az. C-544/10, Legal Online Tribune berichtete seinerzeit). Diese Entscheidung nahm das BVerwG als Referenz her und entschied identisch.


Freitag, 15. Februar 2013

Der Spaß am Schießen bleibt weiter geschützt - Winnenden-Hinterbliebene scheitern mit Verfassungklage, weil dem BVerfG die Hände gebunden sind.

11.03.2009: Der Schüler Tim K. richtet mit der Schußwaffe seines Vaters in Winnenden zuerst in seiner Schule und dann auf seiner Flucht ein Blutbad an. 113 Schüsse gibt er ab und 15 Menschen sterben, bevor sich Tim K. mit einem letzten Schuss selbst das Leben nimmt. Die Waffe - eine großkalibrige Sportpistole - war im unverschlossenen Waffenschrank seines Vaters, eines begeisterten Sportschützen aufbewahrt und für Tim K. praktisch ohne Probleme zugänglich gewesen. Deswegen wurde der Vater zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Die trauernden Hinterbliebenen von Winnenden dachten über die Folgen des tragischen Massakers hinaus und wollten etwas unternehmen, um solche Tragödien für die Zukunft auszuschließen. Als in der Folge das Waffengesetz zwar verschärft wurde, die Erlaubnis zum Besitz großkalibriger Sportwaffen jedoch im Wesentlichen unangetastet blieb, erhoben sie Klage gegen das Waffengesetz. Werde der Gebrauch tödlicher Schußwaffen für den Schießsport nicht ausreichend eingeschränkt, liege darin eine Verletzung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Sorge der Gesetzgeber nicht durch eine Änderung des Waffenrechts für ausreichend Sicherheit,  stelle das ein verfassungswidriges Unterlassen dar. Die Verschärfungen des Waffenrechts nach den Ereignissen von Winnenden seien nicht geeignet, solche Vorkommnisse künftig zu verhindern oder auch nur wesentlich zu erschweren.

Das Bundesverfassungsgericht ( 2 BvR 1645/102 BvR 1676/102 BvR 1677/10, hier die Pressemeldung) nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an:
Nach ständiger Rechtsprechung könne das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung von Schutzpflichten durch die öffentliche Gewalt nur dann feststellen, wenn  Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu
erreichen. Nach diesem Maßstab seien aber die einschlägigen Vorschriften des Waffengesetzes von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, da das Waffengesetz eben gerade zahlreiche Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung beinhalte. Dass die getroffenen Regelungen und Maßnahmen in ihrer Gesamtheit gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, um die Allgemeinheit vor den Gefahren des missbräuchlichen Umgangs mit Schusswaffen zu schützen, sei nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, in den das Verfassungsgericht nicht eingreifen könne. Ein grundrechtlicher Anspruch auf weitergehende Maßnahmen bestehe nicht.
In einfachen Worten: Der Gesetzgeber hat Handlungsfreiheit. Tut er überhaupt etwas und ist das, was er tut nicht offensichtlich unbrauchbar, sind dem Verfassungsgericht die Hände gebunden.

Das mag so sein. Aber trotzdem: Wieso muss die Welt ein Blutbad an Schulen nach dem anderen hinnehmen, ohne etwas anderes dafür zu ernten als ein abschätziges Lächeln der Waffenlobby über die Bemühungen um Verschärfung der Gesetze? Irgendwo ist das nicht einzusehen. Nach meinem Dafürhalten ist der Gesetzgeber gefordert, das Waffengesetz nachzubessern, auch wenn es nicht "offensichtlich unzureichend" ist. Spielräume gibt es genug. In unserem Land muss sich niemand offensiv mit der Waffe verteidigen (in den USA übrigens auch nicht; die Zeiten der Indianerüberfälle sind lange vorbei). Der Waffenbesitz ist - von beruflichen Notwendigkeiten einmal abgesehen - also generell ein Luxus, der restriktiv geregelt werden kann.

(C) Foto: Rainer Sturm  / pixelio.de

Ius-News - Neues aus anderen juristischen Blogs


Ausgabe 2/13: Vorsicht, wenn Sie in Strafsachen bloggen: Man muss auf die Wortwahl achten, sonst mach man sich strafbar! Dies und etliches andere Interessantes gabs diese Woche in deutschen Jura-Blogs:
  • "Bloggen kann gefährlich sein":  Unter diesem Titel rückt der Kollege Rainer Pohlen auf dem Strafblog die Vorschrift des § 353d Nr. 3 StGB in den Fokus: Wer vor Abschluss des Verfahrens aus amtlichen Schriftstücken eines Strafverfahrens wörtlich zitiert, kann bestraft werden. Allerdings nicht, wenn er auf die direkte Wiedergabe verzichtet, und sich auf die inhaltliche Wiedergabe in eigenen Worten beschränkt, so die einschlägige Kommentar-Literatur. Das sei allen ans Herz gelegt, die über Strafverfahren bloggen. Danke für den Hinweis, Kollege Pohlen.
  • Der Anwalt und sein Honorar:Das ist das Thema des Kollegen Nikolaus Lutje. Und seinem bei Luchterhand schon 2005 erschienenen Klassiker "Vergütungsvereinbarung für Einsteiger" (den ich nur jedem ans Herz legen kann) lässt er nun aktuell ein ebook folgen: "Lassen Sie uns über das Honorar sprechen". Wie sag ich's dem Mandanten - ein Leitfaden für das Vergütungsgespräch.. Lässt sich hier herunterladen.
  • Aus für die "Gewerbeauskunft-Zentrale"? : Wie die Kollegen Beckmann und Norda berichten, hatte das OLG Düsseldorf vor einiger Zeit die Vorgehensweise dieser Abkassierer für wettbewerbswidrig erklärt. Nun ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil vom BGH zurückgewiesen worden, und das Ergebnis steht damit fest. Außerdem hat der Kollege Ferner nun eine erste Klage auf Rückzahlung bereits (zu Unrecht) gezahlter Beträge eingereicht. Bin gespannt, wie das ausgeht. 
  • Filesharing-Fälle:  Eine wichtige Information zur Beweislage liefert der Kollege Thomas Stadler auf Internet-Law: Offenbar ist es technisch relativ einfach, sich in einem Mehrfamilienhaus mit einem zentralen Telekom-Übergabepunkt auf den Anschluss des Nachbarn aufzuschalten, um auf diesem Wege filesharing zu betreiben. Eine Tatsache die in bestimmten Fällen den Anscheinsbeweis zu Lasten des Anschlussinhabers möglicherweise erschüttern kann. 
  • Passwörter im Internet: Fast alle agieren wir hier grob fahrlässig. Und auch die von uns, die derzeit noch auf der sicheren Seite sind, müssen nachrüsten. Passwörter können nämlich mit passenden Programmen und entsprechender Rechenleistung binnen Stunden geknackt werden. Und das wird - wenn die Entwicklung so weiter geht, schon Ende 2013 auch für Passwörter gelten, die derzeit noch als sicher gelten. Näheres dazu finden Sie beim Datenschutzbeauftragten - und Tipps, was man zur eigenen Sicherheit tun kann..
  • Die Füllmenge von Tintenpatronen für Drucker muss auf der Verpackung nicht angegeben werden, und dabei bleibts auch leider vorerst. Die Verbraucherzentrale Baden Württembarg hatte zwar gegen die mangelnde Auszeichnung der Ware geklagt, ist jedoch jetzt vor dem VG Stuttgart durchgefallen. Näheres dazu auf Udo Vetters LawBlog.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Petition gegen die Reform der Prozesskostenhilfe - Achtung! Bis 18.2. eintragen!

"Law ist where You buy it", lässt Raymond Chandler seinen Privatdetektiv Philipp Marlowe in dem Klassiker "Farewell, My Lovely" sagen. Damit dieses Prinzip im deutschen Rechtsstaat nicht überhand nimmt, wurde 1981 das Instrument der Prozesskostenhilfe eingeführt. Grundlage war der Gedanke der Waffengleichheit zwischen Arm und Reich und der rechtsstaatliche Grundsatz, dass jedem unabhängig von den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Zugang zu den Gerichten ermöglicht werden soll.
Und nun will die schwarz-gelbe Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf ( BT-Drs 17/11472) diesen Teil des Rechtsstaatsprinzips weitgehend auszuhöhlen. Die Kosten für die Prozesskostenhilfe hätten in letzter Zeit überhand genommen; es müsse eingegriffen werden, so die Begründung für dieses Gesetzesvorhaben.Über die Details hatten wir hier bereits berichtet.
Das Argument zieht nicht. Durch die vorgesehenen Maßnahmen will die Regierung insgesamt 70 Millionen Euro jährlich sparen. Verteilt auf 16 Bundesländer, die ja die Kosten für die PKH stemmen müssen. Allerdings gehen für erhöhten Verwaltungsaufwand von den 70 Millionen Euro etwa die Hälfte für Personalkosten wieder drauf, was im Gesetzesentwurf auch so eingeräumt wird. Und sekundäre Kosten wie Platzbedarf, elektronische Facility etc. sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Fazit: Das Gesetz bringt keinerlei Einsparungen, sondern nur Rechtsverluste und Mehrkosten für den geringverdienden Teil der Bevölkerung. Man nimmt den Armen... und gibt nicht einmal den Reichen - man verpulvert es einfach.


Dagegen ist jetzt eine Petition im Deutschen Bundestag eingereicht worden, die Petition 38829 vom 30.12.2012. Und die kann man elektronisch auf den Internet-Seiten des deutschen Bundestags unterzeichnen. Und zwar hier.
Und ich bitte Sie herzlich, das zu tun. Der Gesetzesentwurf ist Unfug, und trägt nur dazu bei, das Vertrauen in diesen Staat zu erschüttern und das Rechtsstaatsprinzp auszuhöhlen. Und mit ein paar Klicks und ein paar Angaben können Sie hier wirklich etwas Gutes tun.

Achtung: Die Petition läuft am 18.02.2013 aus.
Bitte bis dahin unterzeichnen.!

Vielen Dank.

(C) Foto: Lars Haberl  / pixelio.de 

Flughafenstreik - Diese Rechte haben die Passagiere:


Streik ist höhere Gewalt? Nicht immer. Es gibt durchaus Rechte die sich auch im Streikfall wahrnehmen lassen. Rücktritt vom Beförderungsvertrag; Umbuchung auf einen anderen Veranstalter, Bahn oder Bus; Übernahme von Hotelkosten "Gestrandeter" etc. etc. Die Details finden Sie heute auf sueddeutsche.de.

(C) Foto: netz-foto.de  / pixelio.de

OLG Hamm: Die Befeuchtung eines Kondoms ist kein maßgeblicher Herstellungsvorgang

Um was geht's? Es geht um Sicherheit. Um Rechtssicherheit wohlgemerkt. Und die sah das OLG Hamm bei nachfolgendem Sachverhalt nicht gewährleistet:

Ein seit 1968 am Markt agierender Kondomhersteller aus Arnstadt in Thüringen hatte im Ausland hergestellte Kondom-Rohlinge aus Latex eingekauft und in Arnstadt lediglich weiterverarbeitet, nämlich "befeuchtet, verpackt und kontrolliert" (so berichtet Legal Tribune Online). Und bis hierhin war alles gut. Aber nun ging der Arnheimer Hersteller her und brachte auf seinem Produkt (vermutlich auf der Verpackung) die Bezeichnung "Made in Germany" an. Und das ging nach Ansicht der - seit 1948 am Markt befindlichen - Kondom-Konkurrenz zu weit. Irreführung der Verbraucher sei das und deshalb wettbewerbswidrig.
Man klagte - und bekam vor dem OLG Hamm (Urteil vom 20. November 2012 Az. I-4 U 95/12) tatsächlich Recht: Werde eine Ware als "Made in Germany" annonciert, so erwarte der Verbraucher, dass "wesentliche Fertigungsschritte, zumindest jedoch der maßgebliche Herstellungsvorgang, in Deutschland stattgefunden hat". Und dazu reiche die Befeuchtung eines Kondoms nicht aus. Die Herstellung eines Kondoms vollziehe sich nämlich - so das Gericht ausführlich - in sieben Schritten:

1.     Eintauchen einer "geeigneten Form" in speziell aufbereitetes flüssiges Naturkautschuklatex;
2.     Trocknen (Vulkanisieren) des nach dem Austauchen der Form anhaftenden flüssigen Gummifilms;
3.     Abziehen des durch Vulkanisation verfestigten Gummifilms von der Form;
4.     Waschen des Produkts; Beschichten der Oberfläche mit Puder etc.;
5.     Trocknen des gewaschenen Produktes;
6.     Elektronische Einzelprüfung auf Dichtheit;
7.     Aufrollen des Kondoms zum Abschluss der Einzelstückprüfung.

Nachdem die Schritte 1 bis 5 im Ausland stattgefunden hätten, könne das streitbefangene Kondom nicht mehr den Adelstitel "Made in Germany" für sich beanspruchen.

Schönes Wochenende!

(C) Foto: Tomizak  / pixelio.de

Donnerstag, 14. Februar 2013

Chinesische Wanderarbeiter? Nein - Leiharbeiter bei Amazon in Deutschland!

Aber die Bedingungen sind absolut ähnlich, und gestern hat die ARD sie thematisiert. In den ARD-Tagestehemen hatten sie trotz allem politischen Aschermittwochs-Klamauk den "Aufmacher"-Platz, und gleich nach dem Wetterbericht folgte ein halbstündiger, erschütternder Bericht: "Ausgeliefert".
Die beiden ARD-Reporter Diana Löbl und Peter Onneken schilderten mit eindrücklichen Bildern und einer spanischen Kunstlehrerin als Protagonistin die Arbeitsbedingungen in den deutschen Logistik-Zentren von Amazon:

In Spanien, Polen, Rumänien und anderswo mit falschen Versprechungen angeworben, werden die Wanderarbeiter dann hier in Deutschland nicht von Amazon selbst, sondern von der Zeitarbeitsfirma Trenkwalder angeheuert, zu Stundensätzen unter 9 € brutto. Es werden nur Zeitarbeitsverträge für das Weihnachtsgeschäft - mit täglicher Kündigungsfrist - ausgegeben mit dem Versprechen, dass die Beschäftigung bis zum 1.1.13 dauern wird. Tatsächlich erfolgt 3 Tage vor Weihnachten die Kündigung - alle Bestellungen soweit abgewickelt.

Untergebracht werden die Wanderarbeiter in - z.T insolventen - Feriensiedlungen, 6 einander unbekannte Arbeiter beiderlei Geschlechts auf 80 qm. Zuständig dafür ist die CoCo Job Touristik GmbH & Co. KG. Und damit auch niemand ausbricht aus der Hölle, gibt es eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung eines Überwachungsdienstes namens H.E.S.S, dessen Chef und einige seiner Mitarbeiter mit der rechtsnationalen Szene in Verbindung gebracht werden.

Das Presse-Echo ist gespalten:

Spiegel-Online 
schildert die Arbeit der beiden Redakteure eindringlich und hebt prominent auf den Überwachungsdienst und dessen Nähe zum rechtsradikalen Milieu ab:
"Die ARD-Journalisten recherchierten weiter über die Sicherheitsfirma, die die Arbeiter des Online-Händlers überwacht und stießen auf zahlreiche Verbindungen zur rechten Szene. Amazon selbst konnte sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE zu keinem der Vorwürfe äußern."
Focus Online hingegen geriert sich als Verteidiger der freien Marktwirtschaft:
"Wenn in dem ARD-Film die Formulierung „moderner Sklavenhandel“ fällt, so geht dies meiner Ansicht nach zu weit. Amazon ist längst eine der großen Internet-Marken der Welt und zudem darauf angewiesen, auch fürs nächste Weihnachtsgeschäft wieder tausende Mitarbeiter gewinnen zu können – so unschön die Amazon-Lagerarbeit sein mag, der Konzern kann es sich gar nicht erlauben, illegal zu agieren.

Fragt sich: Muss ein Unternehmen wie Amazon mehr tun und beispielsweise höhere Löhne als vorgeschrieben zahlen (im Unterschied zum Apple-Konzern, der seine Lieferanten in China ebenfalls knapp hält, erzielt Amazon nur geringe Gewinnspannen)? Und: Wären wir Konsumenten wirklich bereit, höhere Preise zu bezahlen – oder würden wir dann bei der Lohndrücker-Internetseite nebenan einkaufen?"
...
TV-Kolumne: „Ausgeliefert! Leiharbeit bei Amazon“: Jobben wie in China - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/kultur/kino_tv/focus-fernsehclub/tv-kolumne-ausgeliefert-leiharbeit-bei-amazon-jobben-wie-in-china_aid_916143.html

FAZ-Net schließlich bringt es auf den Punkt:
"Amazon ist bekannt für seine kreative Buchhaltung und weist für sein Deutschland-Geschäft Verluste aus. Das schadet nicht nur dem deutschen Staat, sondern allen Wettbewerbern, die sich gegenüber ihren Mitarbeitern fair verhalten.
Volkswirtschaftlich bringt das keinen Nutzen: Man kann seine Bücher beim örtlichen Buchhändler kaufen. Nur hat nicht Amazon diese Maschine gebaut, sondern die deutsche Politik. Sie erst hat den chinesischen Wanderarbeiter in Deutschland möglich gemacht. Warum das so ist, konnte am Mittwochabend in der ARD nicht geklärt werden. Die Frage ist aber auch überflüssig geworden. Die Politik kann es nämlich wieder ändern - und schon heute damit anfangen. "
 Letzterem ist nichts hinzuzufügen. 

Ich empfehle: Bücher Lentner im Rathaus in München. Der sprichwörtliche "Buchhändler vor Ort" und nicht der Marktbeherrscher Hugendubel. Bestellung im Internet möglich. Liefert nach Hause. Kostenlos! Deutschlandweit!! Na? Ist das 'ne Alternative?

Mittwoch, 13. Februar 2013

Strafe für Koma-Saufen: Eltern zahlen für Ihre Kinder!

So die aktuelle Forderung, mit der der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn heute auf sich aufmerksam macht:
Aktueller Anlass: Der Karneval und der damit verbundene erhöhte Alkoholkonsum. Grundsätzlicher Anlass: Das statistische Bundesamt hat mitgeteilt, dass das Koma-Saufen bei den Jugendlichen wieder im Vormarsch ist. Im Jahre 2011 wurden 26.349 Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 19 Jahren wegen akuten Alkoholmissbrauchs stationär in einem Krankenhaus behandelt( vgl den heutigen Bericht auf tagesschau.de).
Spahn will dagegen vorgehen - was ja lobenswert ist. Sein Lösungsansatz ist aber vorsichtig ausgedrückt diskussionswürdig. Er lautet wie folgt:
  • Wer ist schuld daran, dass Kinder saufen? Die Eltern, weil sie nicht aufpassen.
  • Was tun wir dagegen? Wir bestrafen die Eltern, indem wir sie verpflichten, zu den Behandlungkosten 100 € dazu zu zahlen. 
  • Dieser Denkzettel wird sie an ihre Verantwortung erinnern und dazu veranlassen, in Zukunft besser aufzupassen.
 Entschuldigung, Herr Spahn, aber das ist unter Ihrem Niveau! Konnte sich bisher Ihre Vita durchaus sehen lassen und nötigt sie einem geradezu Hochachtung ab, ist dieser Vorstoss aber nun wirklich Populismus pur. Schauen Sie doch mal auf die Realitäten: 
  • Wenn - wie in München - eine Familie zwingend doppelt verdienen muss, um sich die örtlichen Mieten überhaupt noch leisten zu können - wie lange und oft ist denn dann noch jemand zu Hause, um auf die Kids aufzupassen?
  • Und wenn jede zweite Ehe während der ersten fünf Jahre geschieden wird und das aktuelle Unterhaltsrecht und eine rigide Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte auch die kinderbetreuenden Elternteile zwingt, möglichst rasch wieder möglichst viel zu arbeiten - wie lange und wie oft ist denn dann noch jemand zu Hause, um auf die Kids aufzupassen?
  • Und die Zukunftsangst - sie greift um sich. Keiner von den Kids hat mehr die lockere Grundeinstellung, dass "alles schon werden wird". Alle machen sich Gedanken, wie sie denn in Zukunft klarkommen und ob sie das alles schaffen. Wo es doch schon die Politiker und die anderen Erwachsenen nicht auf die Reihe kriegen.
Unsere Kids leben also in einem gesellschaftlichen Umfeld, das ein Fluchtverhalten generell nahelegt. Und Fluchtwege gibt es viele: Online-Welten, Drogen, Alkohol, Gewalt, Neonazi werden,  etc. etc. Den Fluchtweg suchen sich die Kids, ohne zu Fragen, und häufig haben die Eltern nicht wirklich eine Chance der Einflussnahme. Alkohol z.B. ist an jeder Ecke zu kriegen. Auch für Kids unter 18. Die müssen für ihre Tagesration nur einen 18-jährigen vorschicken. Und wie geschickt man Alkoholkonsum kaschieren kann, ohne dass die Familie was merkt, ist allgemein bekannt.

Und da meinen Sie, dass hundert Euro Strafe für die Eltern die Welt verändern? Bitte seien Sie so gut, denken Sie nochmal drüber nach und lassen Sie sich was Besseres einfallen.

Oder - vielleicht doch nicht. tagesschau.de hat über Ihren Vorschlag online abstimmen lassen. Repräsentativ ist die Umfrage zwar nicht, aber am 13.02.2013 hatte sie um 12:35 folgendes Zwischenergebnis:


Ihr Populismus funktioniert also. Warum eigentlich nochmal nachdenken...?

Dienstag, 12. Februar 2013

Akteneinsicht an Faschingsdienstag! Was für ein Service!

Letzten Freitag hatte ich mich schon drum gedrückt, bei der Staatsanwaltschaft wegen einer Akte vorbeizuschauen. Zu wenig Zeit. Und Rosenmontag? Also ehrlich gesagt....! Ne! Aber heute, am Faschingsdienstag musste es sein. Denn morgen, am Aschermittwoch kommt der Mandant zur Besprechung.

Anruf bei der Geschäftsstelle. Es geht keiner hin. Anruf bei der Zentrale: Es müsste aber jemand da sein. Jedenfalls bis halb zwölf. Anruf bei einer anderen Nummer. Ständig belegt. Klar - Hörer liegt neben der Gabel.

Also schaue ich auf Verdacht vorbei. Die Akte liegt auf Zimmer 123 bereit. Geklopft. Keine Reaktion. Tür abgeschlossen. Auf 124 - niemand. Auf 125 - Schild: Vertretung 128.
Aus 128 kommt ein vielfältiges Lachen. Ich klopfe, mache auf, und da sitzen sie. Die ganze Serviceeinheit. Alle 18 Leute. Bei Cola, Fanta, Apfelschorle und Wiener Würstchen. Es ist Faschingsdienstag.
Und da komm ich daher wegen einer Akteneinsicht. Und was passiert? Die zuständige Dame steht klaglos auf und marschiert mit mir los. Und befreit mich von der Befürchtung, morgen mit dem Mandanten reden zu müssen, ohne den Akt vorher gesehen zu haben.
Was sie denn dafür kriegen, fragt die ganze Meute. Krapfen zum Nachtisch wären nicht schlecht. Ein Anwalt - ein Wort. Ich verspreche, welche zu besorgen und werde mit einem allgemeinen Lachen entlassen. Offensichtlich glauben sie nicht, dass ich liefere.

Unten am Ausgang lasse ich meinen Aktenkoffer bei der Wache stehen. Um die Ecke in der Sandstr. ist eine Bäckerei. Ich verkünde, die Justiz unter Krapfen setzen zu wollen und ernte wieder fröhliches Lachen. Bester Laune stellen wir eine Auswahl von 20 Stück zusammen. Verpackt in 18 und 2, damit die am Eingang auch was abkriegen.

Zurück bei der StA werde ich zum ersten Mal seit dem Mord im Amtsgericht Dachau nicht mit einem Metalldetektor abgetastet und muss auch keinen Anwaltsausweis vorzeigen. Eine lässliche Sünde, da ich vor 10 Minuten das Gebäude ja erst in anderer Richtung verlassen habe und jetzt mit einer Kiste Krapfen wiederkomme. Hocherfreut nehmen die zwei an der Wache ihre Ration entgegen.

Auf Zimmer 128 stöhnt man, weil schon wieder einer klopft. Als ich mit der Kiste Krapfen im Rahmen stehe, ist die Mannschaft erstmal platt. Und bevor sie sich von der Überraschung erholt haben, bin ich mit besten Faschingstagenwünschen schon wieder draußen. Schließlich muss ich mir diesen Akt noch reinziehen und will heute auch nicht ewig arbeiten.

Als ich zur Kanzleitür reinkomme, spricht grad jemand auf Anrufbeantworter: Vielen Dank nochmal für die Krapfen! Es war eine Fetzen Gaudi. Jede Menge Aprikosenmarmelade auf jeder Menge Pullovern.

Jetzt noch den Akt durchstöbern, und dann zieh ich auch los. Daheim wartet die Familie - und Kaffee und Krapfen.
(C) Foto Grey59 / pixelio.de

Montag, 11. Februar 2013

Kardinal Meisner beklagt "Katholikenphobie" - Die Reaktion kommt etwas spät!

Die Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs durch kirchliche Würdenträger stockt. Denn die Kirche hat zwar nichts gegen die Aufklärung der Mißstände - nur soll das Ergebnis der Aufklärung bitte nicht veröffentlicht werden.
Katholische Krankenhäuser verweigern vergewaltigten Frauen die Notfall-Hilfe - um nicht in den Gewissenskonflikt zu geraten, die "Pille danach" verschreiben zu müssen.
Zusammengefasst: Gerade in jüngster Zeit wird wieder deutlich, wie sehr an der Realität vorbei die katholische Kirche darum bemüht ist, sich die Welt nach ihren Vorstellungen passend zurecht zu biegen.

Dagegen nun hat die Zivilgesellschaft gewisse Vorbehalte, die sich in herber Kritik äußern. Und mit dieser Kritik kann die Kirche eher schlecht umgehen:
Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute von einer Klage des Kölner Erzbischofs Kardinal Meisner über "die Häme und die Aggression, mit der Teile der Öffentlichkeit uns begegnen"... "Französische Wissenschaftler", schrieb der Kardinal laut Süddeutsche weiter, "betrachten dieses Phänomen inzwischen als ,Katholikenphobie' und weisen darauf hin, dass keine Religion oder Konfession so gezielt öffentlich angegriffen wird wie die katholische Kirche". Erst vor Wochenfrist  hatte Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation und gewesene Bischof von Regensburg, gar von einer "künstlich erzeugten Wut" gegen Katholiken gesprochen, "die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert."

Heijeijei! Ihr lieben Berufskatholiken! Was seid Ihr denn jetzt plötzlich so betroffen! Über etwas, was seit Jahrhunderten von Euren Mitmenschen so und nicht anders empfunden wird.

Im Sprachschatz der ja nun wirklich erzkatholischen Bayern gibt es seit Alters her die schöne Formulierung: "jemanden katholisch machen". Wirft man auf der Suche nach der Bedeutung einen Blick ins "Bayerische Wörterbuch", ist die Aufregung des Kölner Kardinals um die angeblich aktuelle Katholiken-Phobie so recht nicht mehr verständlich: Jemanden katholisch machen, bedeutet in Bayern nämlich schon immer: "...jmdn. (u.U. mit Gewalt/Sanktionen) von seiner ablehnenden, starren Haltung abbringen und zum Einlenken zwingen".
Und auch in Hessen ist, wie man "Yahoo Answers" entnehmen kann, der Begriff seit jeher gebräuchlich. Nur fällt die hessische Deutung noch etwas krasser aus: "Das bedeutet bei uns in Hessen: Jemanden oder etwas abmurksen, also umbringen, alle machen, um die Ecke bringen, töten. Kommt von den katholischen Inquisitionen und Kreuzzügen aus dem Mittelalter. Da wurden die Sarazenen auch alle "katholisch gemacht".

Also: Im Volksmund war das "Katholische" seit jeher verbunden mit unversöhnlicher, kompromiss- und rücksichtsloser Durchsetzung eigener Vorstellungen und Interessen: Werde so, wie ich will, oder ich mach dich so, wie ich dich brauche!
Lieber Joachim Meisner. Dass ist keine neuartige Katholiken-Phobie - das ist die jahrhundertealte Erfahrung mit Eurer Religionsgemeinschaft. Neu daran ist nur, dass Ihr jetzt erst richtig merkt, was wir von Euch halten, weil Euch die gesellschaftliche Entwicklung keinen Raum mehr für frommen Selbstbetrug lässt.

Aber keine Sorge, liebe Berufskatholiken. Wir sind mit Eurer Art immer nachsichtig umgegangen. Das mag zwar damit zu tun haben, dass wir Euch in Eurer Rigidität nicht mehr wirklich ernstnehmen. Aber immerhin mag Euch diese Erkenntnis von der Furcht befreien, Opfer eines Pogroms zu sein. Es ist keins - Wir lästern nur grad mal wieder ab über Euch.
Wie schon so oft, lieber Joachim. Schau Dir doch mal diesen Ausschnitt aus "Dalli Dalli" mit Hans Rosenthal aus dem Jahre 1976 an. Dort singt Fredl Fesl (ab 1:01) übers "katholisch machen":
S' Deandl is lutherisch word'n!
Was sagst denn da - fallerah!
Miass ma es wiedarum
ka- fallerah - tholisch macha!
Leicht doppeldeutig, der Text. Ein "Deandl", also ein Mädchen katholisch machen, also mit Gewalt zu etwas zwingen... Erinnert Dich das an etwas?
 
Aber egal! Alle lachen drüber.
Über Euch? Kann schon sein... Jedenfalls auch über Euch. Und - als eine Art erschrockenes Lachen - über die Selbstverständlichkeit der Gewalt in unserer Gesellschaft. Der ihr Berufskatholiken damit begegnet, jedenfalls die "Pille danach" zu verbieten und Euch anschließend mit kalter Schulter abzuwenden. Der Rest ist das Problem des "Deandls".

Keine Angst: Kein Pogrom. Wir wenden uns auch nicht ab von Euch. Das wäre zu viel der Ehre. Wir machen uns nur lustig. Das ist die angemessene Reaktion. Und wir unterscheiden genau - zwischen Christentum und Katholizismus.


(C) Foto: Karl-Michael Soemer  / pixelio.de

Sonntag, 10. Februar 2013

Schwarz-Gelb will noch vor der Bundestagswahl "Fracking" per Gesetz erlauben.

Der Energiehunger unserer Gesellschaft ist ungebrochen. Und kein Weg ist zu mühsam, kein Mittel zu riskant, um neue Energievorkommen zu erschließen. Nachdem riskante Tiefenbohrungen im Golf von Mexiko zu der bekannten Ölpest geführt haben, geht man nun daran, bislang nicht zugängliche Erdgasvorkommen in tief liegendem Schiefergestein anzuzapfen. Dazu ist es notwendig,"...Wasser und Chemikalien mit hohem Druck in Gestein zu pumpen, um an die dort lagernden Gas- und Ölvorkommen zu kommen. Die Risiken für die Umwelt schätzen Kritiker als beträchtlich ein. Umweltschützer befürchten die massive Verschmutzung von Grundwasser und eine erhöhte Gefahr von Erdbeben", so ntv.
Das Umweltbundesamt hatte sich in einer ausführlichen Untersuchung skeptisch zu dieser jetzt verstärkt angeschobenen Fördermethode geäußert und vor den Risiken im dicht besiedelten Deutschland gewarnt. In einem auführlichen Gutachten (Langfassung 467 Seiten, Kurzfassung 40 Seiten) warnt die Behörde: "Erst wenn die vorhandenen Kenntnisse und Vorkehrungen ausreichen, um die Besorgnis einer nachteiligen Grundwasserveränderun ausschließen zu können, kann u.E. ein Frack genehmigt werden."


Das alles scheint unsere schwarz-gelbe Regierung nicht anzufechten. Noch in dieser Legislaturperiode will sie ein Getz auf den Weg bringen, dass bundesweit die Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten ermöglichen soll (vgl. hier den Bericht bei ntv). Fasziniert von der Entwicklung in den USA, die sich binnen kurzer Frist von Energieimporten weitgehend unabhängig machen wollen, ohne dabei auf ihren extrem energieintensiven "way of life" verzichten zu wollen, will auch Schwarz-Gelb nun rasch die gesetzlichen Grundlagen für ein Schiefergas-Wirtschaftswunder schaffen. Exxonmobil und BASF zeigen bereits deutliches Interesse an einer Förderung. Natürlich soll nicht ungehemmt losgefrackt werden. Die schwarz-gelbe Arbeitsgruppe wird von ntv wie folgt zitiert: "Ja zum sogenannten Fracking, aber unter Auflagen. Es soll bei jeder neuen Bohrung eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung geben, zudem müsse klar geregelt werden, was mit möglichen giftigen Rückflüssen passiert. Bohrungen in Wasserschutzgebieten sollen per se verboten werden."

Solche Vorgaben gibt es auch in den USA Geholfen haben sie wenig: Es gibt Gegenden, in denen das Trinkwasser plötzlich brennbar ist. Und ungenießbar. Und deshalb ist das Thema auch auf die Agenda der Hollywood-Filmindustrie geraten. Erstmals auf der Berlinale war letzte Woche der neue Film von und mit Hollywood-Star Matt Damon zu sehen: "Promised Land". Damon spielt den Bohrrechte-Aufkäufer für die Fracking-Industrie, der zunehmend auf den Widerstand von Umweltschützern stößt. Und seit er diesen Film gemacht hat, ist er selbst einer der prominentesten Fracking-Gegner.

Spruchreif ist das alles bei uns noch nicht. Widerstand kommt vor allem aus Bayern: Umweltminister Marcel Huber (CSU) lehnt die Technik ab, solange die Risiken nicht hundertprozentig im Griff sind. Aber das war auch in den USA der Tenor. Bis dann das Trinkwasser brannte...

Freitag, 8. Februar 2013

Sturmlauf gegen beabsichtigte Änderungen bei der Prozesskostenhilfe: Verbände sprechen von "Zwei-Klassen-Justiz"

Wieder einmal versucht der Staat, seinen Bürgern den Zugang zu den Gerichten zu beschneiden. Diesmal über die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe.

Ein Gesetzesentwurf ( BT-Drs 17/11472)  sieht weitgehende Einschränkungen bei der Prozesskostenhilfe vor. Man will damit Kosten einsparen, nämlich etwa 68 Millionen Euro jährlich, etwas, was die Bundesländer bereits seit einigen Legislaturperioden anregen. Der Entwurf wurde am 31.1.2013 in erster Lesung im Bundestag verhandelt. Wir werden hier noch ausführlich über die geplanten Änderungen berichten.
Die Kritik am Gesetzesvorhaben ist laut und deutlich: Von einer Zweiklassenjustiz ist die Rede und davon, dass der Bürger abgeschreckt werden soll, zum Gericht zu gehen.

Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht, wenn man sich z.B. die geplante Änderung zu § 114 ZPO anschaut:
 Folgender Absatz 2 wird angefügt:
 „(2)  Mutwillig  ist  die  Rechtsverfolgung  oder
 Rechtsverteidigung,  wenn  eine  Partei,  die  keine  Pro-
 zesskostenhilfe  beansprucht,  bei  verständiger  Würdi-
 gung  aller  Umstände  von  der  Rechtsverfolgung  oder
 Rechtsverteidigung  absehen  würde,  obwohl  eine  hin-
 reichende Aussicht auf Erfolg besteht.“ 
Bisher galt das Prinzip, dass bei hinreichender Aussicht auf Erfolg Prozesskostenhilfe gewährt werden musste. Nun wird sie nicht mehr gewährt, wenn ein "verständiger Rechtssuchender" auch bei hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zu Gericht gehen würde. Das mag auf den ersten Blick Sinn machen: "Auch wenn ich ein Verfahren gewinnen kann, führe ich es nicht, wenn das Ganze eh ein Schmarren ist!"
Nur: Wer entscheidet denn, wann ein "verständiger Rechtssuchender" das Gericht nicht belästigen würde und wann ein Gerichtsverfahren ein "Schmarren" ist? Das Gericht, das lieber nicht belästigt werden möchte! Ob man bei dieser Konstellation immer zu richtigen Ergebnissen kommt, kann füglich bezweifelt werden.

Dementsprechend heftig fällt die Kritik am Gesetzesentwurf auch aus. Einen guten Überblick gibt www.tagesschau.de .

68 Millionen. Das sind bei 16 Bundesländern im Schnitt pro Bundesland gerade mal 4,25 Millionen € jährlich. Und dafür ein Kahlschlag beim Rechtsgewährungsprinzip?
Es gibt bessere Einsparungspotentiale: Was kostet uns nochmal das Betreuungsgeld? 2,2 Milliarden jährlich; wenn ich mich recht erinnere...

(C) Foto: sigrid-rossmann auf www.pixelio.de