Neueste Fortschritte in der Frühdiagnostik machen es jetzt möglich, mit Hilfe einer einfachen Blutuntersuchung während der Schwangerschaft beim Fötus Trisomie 21, also das
"Down-Syndrom" zu diagnostizieren. Das geschieht mit Hilfe sogenannter
Biomarker, berichtet die Zeitschrift "Psychologie Heute" in Ihrer Dezember-2012-Ausgabe.
Und hier scheiden sich wieder einmal die juristischen und die medizinischen Geister: Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe und der von ihm als juristischer Gutachter beauftragte
Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz stufen den Test als illegal ein: Das
Gendiagnostikgesetz sieht nämlich in
§ 15 GenDG vor, dass "eine genetische Untersuchung ... vorgeburtlich nur zu medizinischen
Zwecken und nur vorgenommen werden (darf), soweit die Untersuchung auf
bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus abzielt, die
nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik seine
Gesundheit während der Schwangerschaft oder nach der Geburt
beeinträchtigen..."
Zwar zielt die Untersuchung eindeutig auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos ab, die das Kind nach der Geburt beeinträchtigen. Fraglich ist aber, ob die Untersuchung medizinischen Zwecken dient; genau das bezweifeln Hüppe und Gärditz: Nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft ist das Down-Syndrom nämlich unheilbar. Die Diagnose dieses Syndroms könne daher nach Meinung insbesondere von Gärditz nicht auf eine medizinische Behandlung abzielen, sondern diene lediglich "der Selektion", berichtet "Psychologie Heute". Der Test, der sich noch in der Versuchsphase befindet, dürfe daher nicht auf den Markt kommen.
Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Ärztekammer ist da ganz anderer Ansicht. Habe sich die Gesellschaft einmal für die Pränataldiagnostik entschieden, könne sie das Rad nicht mehr zurückdrehen, so zitiert ihn die Zeitschrift. Schon früher habe pränatal die Möglichkeit bestanden, Trisomie 21 zu diagnostizieren, allerdings nicht durch einen risikolosen Bluttest sondern durch eine erheblich risikobelastete Fruchtwasseruntersuchung.
In der Tat dürfte es nicht angehen, einerseits eine (nicht auf eine medizinische Behandlung gerichtete) Diagnose zuzulassen, die für die Schwangere ein erhebliches Risiko birgt, während andererseits eine Diagnose nicht zugelassen wird, die auf exakt dasselbe abzielt und ohne erhebliches Risiko durchzuführen wäre, nur weil es sich um Gendiagnostik handelt. Wer das Leben von "Down"-Kindern schützen will (das im Einzelfall durchaus lebenswert sein kann), sollte sich dabei nicht auf die Tatsache stützen, dass die Schwangere wegen eines zu hohen Risikos für sich selbst von einer Klärung absieht und sich mangels Information für die Fortführung der Schwangerschaft entscheidet.
Entweder stellt man sich der Tatsache, dass ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche auf Wunsch der Schwangeren auch und speziell bei einer Down-Diagnose möglich ist. Dann darf man der Schwangeren die zur Entscheidung notwendige Information auch nicht verweigern oder nur unter hohem Risiko zukommen lassen. Oder man entscheidet sich grundsätzlich gegen den Schwangerschaftsabbruch. Und hier unsere Gesellschaft schon vor geraumer Zeit eine Werteentscheidung getroffen: Maßgeblich ist der Wille der Schwangeren.
Offenbar sind wir ein weiteres Mal am Rande einer Diskussion angekommen, die wir lange für beendet hielten.
Quelle: Psychologie Heute, Heft 12/12, S. 33 f.
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