Der Paulchen-Panther-Prozess gegen den rechtsnationalen Norman Bordin in München ist bereits anderweit ausreichend abgehandelt worden, vgl. die Berichte bei
Burhoff und in der
Süddeutschen Zeitung. "Geschmacklos, aber nicht strafbar" empfand es das Amtsgericht München, dass auf einer Demo “für nationalen Widerstand und deutsche Freiräume” der Song abgespielt wurde, der nur kurz zuvor das menschenverachtende Video der NSU untermalt hatte. Auch wenn Norman Bordin sich noch auf derselben Demo gegen Gewalttaten aussprach, musste doch jedem klar sein, dass er die Taten der NSU "klammheimlich" (so hieß das im linken Spektrum mal im Zusammenhang mits dem Buback-Mord) guthieß. Über den Freispruch kann man streiten. Schwamm drüber.
Allerdings verhielt sich die Münchener Justiz im Umfeld dieses Verfahrens verstörend passiv, als es darum ging, Straftaten innerhalb des Gerichtsgebäudes zu verhindern oder zu verfolgen:
Im Rahmen der Hauptverhandlung testeten nämlich zahlreiche Freunde des
Angeklagten aus, wie weit man eine Verhandlung stören und Journalisten, Pressfotografen und missliebige
Angehörige von Opfern angehen kann,
ohne eine sitzungspolizeiliche Reaktion des Gerichts zu riskieren. Es
gab kommentierende Zwischenrufe, und ein Zuschauer, der sich als
Journalist ausgab und sich auf die Pressbank drängte, verschmierte den
anwesenden Fotografen die Objekte mit rosa Fettfarbe. Klarer Fall von Sachbeschädigung und eventuell auch von Nötigung. Der Täter konnte sich
trotz Protesten der Pressevertreter anschließend entfernen, ohne das die
Sitzungswachtmeister seine Personalien feststellten.
Die Äußerungen der bayerischen Justiz dazu sind mindestens unglücklich.
Ich
zitiere die SZ: “Das Gericht sei ein öffentlicher Raum, zu dem
grundsätzlich jeder Zutritt habe, sagte die Sprecherin des Münchner
Oberlandesgerichts, Margarete Nötzel. Im Saal ist der Vorsitzende
Richter Herr des Geschehens, im restlichen Gebäude der Präsident.
Polizeiliche Aufgaben dürften die Justizwachtmeister trotz Hausrecht
nicht übernehmen: also auch keinen Störer am Verlassen des Gebäudes
hindern und dessen Personalien verlangen. Wer sich angegriffen fühle,
müsse sich an die Polizei wenden und Anzeige erstatten."
Entschuldigung, aber das habe ich zwei Sitzungssääle weiter schon ganz anders erlebt. Die Münchener Justiz kann auf Straftaten im Sitzungssaal sehr wohl konsequent und rasch reagieren, wenn sie dazu entschlossen ist: Ich verteidigte vor etlichen Jahren einen Autofahrer, der sich auf der Autobahn ein Rennen geliefert und die ganze Palette an Fahrmanövern aufgeboten hatte, die einen schnurstracks vor den Strafrichter bringen. Sein besonderes Pech: Er wurde von einem Polizeibeamten direkt bei der Tat gesehen, bevor er anschließend flüchtete. Nun behauptete er, seine Frau sei gefahren, und diese trat in den Zeugenstand und bestätigte das sogar. Konsequent die anschließende Vorgehensweise des Staatsanwalts: Er bat um eine Unterbrechung der Sitzung, griff zum Telefon der Protokollführerin und rief die direkt neben dem Gerichtsgebäude befindliche Polizeiinspektion an. So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie meine Zeugin von zwei Beamten noch im Sitzungssaal wegen uneidlicher Falschaussage festgenommen wurde.
Und warum bitte schaut man einfach zu, wenn ein Angehöriger der rechten Szene, Journalisten die Kameralinse verschmiert? Und versteigt sich dann noch zu so derart wachsweichen Erklärungen? Selbst wenn die Sitzungswachtmeister tatsächlich keinerlei polizeiliche Befugnisse haben sollten: Ein Festnahmerecht nach § 127 I StPO haben sie in jedem Fall. Täter festsetzen - zum Handy greifen - nebenan auf der Wache anrufen - wäre kein Problem gewesen.
Der Prozess gegen Beate Tschäpe wird ebenfalls
in München stattfinden. Wir können gespannt darauf sein, wie die
Münchener Justiz mit dem zu erwartenden Verhalten der sympathisierenden Zuschauer umgeht. Aber eigentlich wissen wir es schon. Noch einmal die SZ: "Auch im Saal könne der Vorsitzende Richter nur dann maßregelnd
eingreifen, wenn eine Störung den Ablauf der Sitzung gefährde, sagt der
Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins, Walter Groß. Pöbeleien gegen
Presse oder Angehörige lägen meist unter dieser Schwelle. Den Aspekt,
einen angstfreien Besuch einer Verhandlung zu gewährleisten, kenne die
Rechtsprechung noch nicht.” Das wird die Angehörigen der NSU-Opfer enorm motivieren, wenn es darum geht, im Tschäpe-Verfahren als Nebenkläger aktiv zu werden.
Fazit: Die Einschüchterung ist bereits gelungen.
Mein Kommentar: Teufelskerl - der! Weitermachen!