Sonntag, 25. August 2013

OVG Lüneburg schränkt Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ein - Bienensterben soll vermieden werden.

Wer das Sterben der Bienen beklagt, ist nicht etwa ein alternativ abgedrifteter Ökopax, sondern jemand, der knallhart wirtschaftlich denkt: Bienen produzieren nicht nur leckeren Honig (im Jahre 2012 in Deutschland 25.000 Tonnen), sondern sind weltweit auch für das Bestäuben von 70-80 % aller Nutzpflanzen zuständig. Vereinfacht ausgedrückt: Verschwinden die Bienen, herrscht Hungersnot. Unter diesem Gesichtspunkt kann es durchaus als dramatisch bezeichnet werden, dass in den vergangenen Wintern europaweit etwa 53 % der Honigbienenvölker gestorben sind.

Um die Nahrungsmittelproduktion aufrechtzuerhalten, werden weltweit die abenteuerlichsten Maßnahmen ergriffen. Die USA importieren Millionen von Bienenvölkern, um die Bestäubung ihrer Nutzpflanzen sicherzustellen. Im Süden Chinas, in dem die Bienen fast ganz verschwunden sind, sammeln hunderte von Arbeitern Pollen ein und verteilen ihn mit Hühnerfedern auf den Bäumen (zu den Details vergleiche http://www.heise.de/tp/artikel/39/39414/1.html. ). Rechnet man deren Arbeitsaufwand auch nur mit einem Mindest-Stundenlohn hoch, generieren Honigbienen nur durch ihre "Bestäubungs-Arbeit" einen wirtschaftlichen Wert von weltweit 14,6 Milliarden $ jährlich.

Größter Feind der Bienen sind Pflanzenschutzmittel, zum Beispiel der Blattlaus-Bekämpfer Tamaron, hergestellt von der Firma Bayer CropScience. Dieses Mittel hat beispielsweise im Frühsommer 2008 allein in Baden-Württemberg 11.500 Bienenvölker das Leben gekostet, weil großflächig ausgesetzter Mais mit diesem Insektizid gebeizt wurde.

Und gegen die exzessive Anwendung genau dieses Mittels hat sich nun das OVG Lüneburg (Urteile vom 20.8.2013 - 10 LC 113/11 und 10 LC 131/11) gewendet. Es hat die Nutzung von Tamaron nicht nur für den Fall untersagt, in dem feststeht, dass landwirtschaftliche Nutzflächen, die mit diesem Mittel behandelt sind, während dessen Wirkzeit von Bienen zwecks Nahrungssuche angeflogen werden. § 2 Abs. 1 Nr.  2 der Bienenschutzverordnung verbiete die Anwendung des Mittels bereits dann, wenn auch nur damit zu rechnen sei, dass Bienen in das behandelte Gebiet einfliegen. Und das sei im vorliegenden Fall so gewesen:

Der Betroffene Landwirt habe Ende Juli 2006 seine Kartoffelfelder mit dem genannten Pflanzenschutzmittel behandelt. Seine Kartoffelpflanzen seien zu diesem Zeitpunkt stark mit Blattläusen befallen gewesen; dadurch habe sich bereits Honigtau gebildet, der die Bienen angelockt habe, die in der Folge massenhaft verendet seien. Der Landwirt hätte das Mittel nur vor der Honigtau-Bildung anwenden dürfen oder aber auf Pflanzenschutzmittel zurückgreifen müssen, die für Bienen ungefährlich sind.

Das OVG Lüneburg hat die Revision nicht zugelassen.

(C) Foto: luise  / pixelio.de

Freitag, 23. August 2013

Anwaltskosten bei Filesharing-Abmahnungen möglicherweise gedeckelt

Gute Nachrichten für die Eltern von Jugendlichen, die im Internet unerlaubt Musik saugen: Verboten ist es natürlich noch immer - aber möglicherweise kommen auf die Beteiligten in Zukunft weniger hohe Kosten zu. Einer Information der Hamburger Verbraucherzentrale zufolge gibt es in einem Abmahn-Verfahren vor dem Amtsgericht Hamburg (Az. 31 a C 109/13) jetzt einen Hinweis-Beschluss des Gerichts, nachdem der Streitwert solcher Verfahren deutlich geringer anzusetzen ist als bislang von den meisten Gerichten gehandhabt.

Bei vielen im privaten Bereich begangenen Urheberrechtsverstößen käme nach Auskunft der Verbraucherzentrale dann höchstens noch eine Kostenrechnung für den Anwalt von etwa Euro 150 zu Stande.

Setzt sich diese Ansicht durch, wäre das natürlich das Ende der Abmahnung-Industrie. In der Vergangenheit waren Eltern von musiksüchtigen Jugendlichen mit Rechnungen von bis zu Euro 3000 konfrontiert gewesen.

Zur Klarstellung: Ich rede an dieser Stelle nicht Urheberrechtsverstößen das Wort. Eine Deckelung völlig überhöhter Gebührenforderungen halte ich aber für angemessen. Und wenn die Eltern dann den Kids die geringeren Anwaltskosten vom Taschengeld abziehen, ist der erzieherische Effekt ebenfalls erzielt. Auch der hartnäckigste Rekord-Sauger kann sich ausrechnen, dass er sich für das Geld etwa 200 Titel legal hätte herunterladen können.

Donnerstag, 22. August 2013

Leihmutter-Geschäft macht aus deutschen Paaren noch keine Eltern - auch wenn ein kalifornisches Gericht die Elternschaft festgestellt hat

Die Antragsteller, zwei in einer registrierten Lebenspartnerschaft zusammenlebende deutsche Männer hatten mit einer amerikanischen Staatsangehörigen einen Leihmutter-Vertrag abgeschlossen. Daraufhin trug diese Frau für die beiden Männer ein Kind aus, dass aus dem Sperma eines der beiden Männer sowie aus einer anonymen gespendeten Eizelle gezeugt war. Im April 2011 erkannten die beiden Männer einem kalifornischen Gericht gegenüber ihre Vaterschaft an, worauf dieses Gericht dann dem Anerkenntnis gemäß die Vaterschaft feststellte.

Daraufhin beantragte das Paar beim Standesamt in Deutschland seine Eintragung als Eltern in das Geburtenregister - und fing sich eine Ablehnung ein, die nun letztlich sogar das Kammergericht Berlin bestätigte  (Beschluss vom 01.08.2013, Az.: 1 W 413/12). Die Entscheidung des kalifornischen Gerichts sei mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar (Verstoß gegen den ordre public). Ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis könne in Deutschland nur durch Abstammung oder aufgrund einer Annahme als Kind entstehen; eine Leihmutterschaft sei sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich unzulässig.

Die besondere Beziehung des ungeborenen Lebens mit der Mutter verbiete eine Übernahme von Schwangerschaften als eine Art Dienstleistung. Das Kind sei mit der Mutter, die es gebäre, in besonderer Weise verbunden und werde in seiner Identitätsfindung gefährdet, wenn es von einer Leihmutter ausgetragen werde. Ferner habe jedes Kind ein Recht auf Kenntnis seiner tatsächlichen Abstammung. Bei einer Leihmutterschaft, bei der anschließend jemand anders die Elternschaft übernehme, würden dem Kind die Möglichkeit dieser Information aber vor enthalten, wenn die Leihmutter nicht im Register genannt werde. Im Hinblick auf die Menschenwürde des Kindes habe der deutsche Gesetzgeber diese Grundsatzentscheidung getroffen.

Das Kammergericht ließ aber ausdrücklich offen, ob nicht eventuell die Möglichkeit einer Registereintragung des Sperma-Spenders einerseits und der Leihmutter andererseits im Geburtenregister möglich sei (etwas Derartiges war nicht beantragt worden) und ließ überdies die Rechtsbeschwerde zum BGH zu.

(C) Foto: RalphH  / pixelio.de

Mittwoch, 21. August 2013

Girokonto für jeden - Auch bei Schulden und Insolvenz.

Kein Girokonto haben - das kommt einer Stigmatisierung gleich. Trotzdem haben in Deutschland zwischen 600.000 und 1.000.000 Bundesbürger kein Konto - weil keine Bank mit Ihnen zu tun haben will. Grund: starke Verschuldung oder gar Überschuldung. Die Folge: Diesen Mitbürgern ist der bargeldlose Zahlungsverkehr unmöglich, etwas, was in heutigen Zeiten essenzielle Nachteile zur Folge hat.

Die EU-Kommission will diesem Übel schon seit einiger Zeit abhelfen: Nach einem von der Kommission unterbreiteten Richtlinienvorschlag soll künftig jeder Verbraucher einen Anspruch auf ein Guthabenkonto mit bestimmten grundlegenden Funktionen haben. Die EU-Staaten müssen nach diesem Vorschlag garantieren, dass mindestens eine Bank pro Mitgliedsland ein solches Konto zu angemessenen Gebühren anbietet.

Aber: Die EG-Mühlen mahlen bekanntlich langsam. Die Sache zieht sich. Der von der SPD dominierte Bundesrat hat daher ein Gesetz eingebracht (BT-Drs. 17/14363), nachdem die Verpflichtung zur Führung solcher Konten in Deutschland bereits vorzeitig eingeführt wird. Ein solches Gesetz müsste dann zwar einer eventuell folgenden EU-Richtlinie wieder angepasst werden. Jedenfalls wäre aber der groben Nachteil kurzfristig beseitigt, den die betroffenen Bundesbürger derzeit haben.
Die CDU/FDP-Bundesregierung lehnt diesen Vorstoß ab. Man will die EG-Richtlinie abwarten. Auf nationaler Ebene eine gesetzliche Regelung vorzubereiten, die nach Abschluss der Verhandlungen über die EU-Richtlinie tief greifend geändert werden müsse, sei "nicht zielführend".

(C) Foto: Torben Wengert auf www.pixelio.de

Dienstag, 20. August 2013

Familienurlaub in Ägypten geplant? - So funktioniert's mit dem Storno.

Ägypten ist eins der beliebtesten Reiseziele der Deutschen - oder war es das jedenfalls bis vor kurzem. Angesichts der derzeitigen Unruhen gehört schon eine erhebliche Portion Unverfrorenheit dazu, jetzt noch eine Besichtigungstour zu den Pyramiden von Gizeh zu versuchen. Was aber, wenn Sie die Reise bereits gebucht haben? Dann können Sie zwar jederzeit stornieren, müssten allerdings eine Stornogebühr bezahlen, es sei denn...

... Ihr Storno hat seinen Grund in höhere Gewalt. Und das ist bei einer Reise an den höheren Nil im Moment nicht mehr von der Hand zu weisen. Sharm el Sheik am Roten Meer scheint noch sicher zu sein. Von Reisen nach Kairo und Oberägypten rät das auswärtige Amt inzwischen aber dringend ab.
Und damit ergibt sich die Möglichkeit, auch noch kurzfristig kostenfrei zu stornieren. Wie das geht, erläutert das Bundesjustizministerium aktuell auf seinen Internetseiten.

(C) Foto: Katharina Wieland Müller  / pixelio.de

Samstag, 17. August 2013

Finanzgericht Köln: Kindergeld wird jetzt unabhängig von der Höhe des Einkommens der Kinder gezahlt

Eigentlich stand es ja schon im Gesetz; das Finanzgericht Köln hat es mit Urteil vom 16.07.2013 aber noch einmal ausdrücklich klargestellt: Für volljährige Kinder zwischen 21 und 25 Jahren (auch, wenn sie verheiratet sind!), die sich in der Erstausbildung befinden, haben Eltern auch dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn die eigenen Einkünfte des Kindes und die Unterhaltsleistungen des Ehegatten den Grenzbetrag von 8.004 Euro überschreiten.
Denn § 32 Abs. 4 EStG, in dem bisher die genannte Obergrenze vorgesehen war, wurde zum 1.1.2012 geändert. Seitdem sind die eigenen Bezüge der Kinder für die Zahlung des Kindergeldes ohne Bedeutung (Aktenzeichen 9 K 935/13). Das Finanzgericht hat allerdings die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

(C) Foto: S. Hofschlaeger auf www.pixelio.de

Montag, 5. August 2013

Sozialgericht Dortmund findet harte Worte für die AOK: Behinderte Kinder sind ohne Altersgrenze familienversichert.

Die 27-jährige Frau lebte bei ihren Eltern und war von Geburt an geistig behindert. Der Gerichtssachverständige bezeichnete sie als "debil" und ermittelte einen Intelligenzgrad, welcher "von knapp 100 % der vergleichbaren Altersgruppe übertroffen" werde. Die Frau könne zwar eine rein körperlich ausgerichtete Tätigkeit verrichten, Arbeiten, die mit Zeitdruck oder Ansprüchen an das geistige Leistungsvermögen oder die Konzentration einhergingen, sei sie jedoch nicht gewachsen.
Gleichwohl war die AOK der Meinung, die Frau könne sich selbst unterhalten, weil sie überhaupt eine - wenn gleiche rein körperliche - Erwerbstätigkeit ausüben könne. Und aus diesem Grunde verweigerte sie den Eltern der Frau, diese kostenlos in der Familienversicherung mitzuversichern. Die Voraussetzungen des § 10 II Nr. 4 SGB V lägen nicht vor.

Dem wollte sich das Sozialgericht Dortmund (Urt. v. 27.06.2013, Az. S 39 KR 490/10) nicht anschließen und kritisierte die AOK mit harten Worten:

"Der Schluss der Beklagten, die Beigeladene könne sich selbst unterhalten, weil sie eine Erwerbstätigkeit ausüben könne, ist augenscheinlich in Verkennung der seit einigen Jahren bestehenden Arbeitsmarktsituation und der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Entlohnungspraxis gezogen worden. Im November 2012 haben 1,3 Millionen Menschen in Deutschland trotz Erwerbstätigkeit sich nicht selbst unterhalten können, vielmehr Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) bezogen (Bundesagentur für Arbeit, online-Tabellenanhang zu Geldleistungen an Bedarfsgemeinschaften mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit). Etwa 330.000 Menschen haben dabei sogar ein Monatseinkommen von mehr als 800,00 EUR erzielt. Bestenfalls zu diesem Personenkreis würde auch die Beigeladene gehören, selbst wenn es ihr gelingen würde, einen Arbeitsplatz zu erlangen. Die fehlende geistige Leistungsfähigkeit der Beigeladenen erlaubt es zur Überzeugung des Gerichts nicht, eine Qualifikation zu erreichen, mit der sie ein Arbeitsentgelt erzielen könnte, welches Aufstockungen nicht erforderlich machen würde."

Demzufolge sei die 27-jährige Frau selbstverständlich über ihre Eltern familienversichert.

(C) Foto: Thommy Weiss / pixelio.de

Sonntag, 4. August 2013

"Herr Ehefrau..." - Schwule Paare sind zwar nun steuerlich gleichgestellt, aber an den Formularen hapert's noch.

Erst im Juni 2013 hatte das Bundesverfassungsgericht die steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare gefordert. Und weil wir gerade Wahlkampf haben und sich kein Politiker etwas nachsagen lassen will, ging man Berlin und in den Ländern mit Volldampf in den Gesetzgebungsprozess und brachte es tatsächlich hin: Per 1. August 2013 sind schwule Paare steuerrechtlich nun tatsächlich gleichgestellt.
So weit, so gut. Das Einkommensteuergesetz ist geändert. Allerdings ist man in der Eile nicht mehr dazu gekommen, die dazugehörigen Ausführungsgesetze ebenfalls anzupassen, und das hat skurrile Auswirkungen, wie die Süddeutsche Zeitung jetzt berichtet.
Gibt ein Paar eine gemeinsame Steuererklärung ab, ist es nach den Ausführungsbestimmungen nach wie vor zwingend notwendig, dass der eine als Ehemann und der andere als Ehefrau bezeichnet wird. Dass beide eingetragene Lebenspartner sind, ist in den Formularen noch nicht vorgesehen.

Aus den gleichen Gründen kann auch nur Eheleuten und nicht eingetragenen Lebenspartnern ein gemeinsamer Steuerbescheid zugestellt werden.

Trotzdem sind die Finanzbeamten, die einmal mehr "an der Front " mit einer unfertig auf den Markt geworfenen Gesetzgebung klarkommen müssen, ehrlich bemüht, der Situation gerecht zu werden: Das Finanzamt Freiburg empfiehlt gleichgeschlechtlichen Partnern , einen von beiden zur Inempfangnahme des Steuerbescheides zu bevollmächtigen, der dann für beide gilt.

Und die Finanzbeamten in NRW rücken den veralteten Formularen ganz unkonventionell und formlos zu Leibe: Unpassende Begriffe wie "Ehegatte" werden einfach von Hand durchgestrichen und durch passende wie "Lebenspartner" ersetzt.

Erstaunlich, wie in den angeblich so verstaubten Ämtern flexibel auf eine neue Situation reagiert werden kann, die bis vor wenigen Wochen in weiten Teilen der CDU noch als unvorstellbar galt.

(C) Foto: Gerd Altmann auf www.pixelio.de

Donnerstag, 1. August 2013

Ab heute: Anspruch auf einen Kita-Platz auch zwischen dem 1. und 3. Lebensjahr

Ab heute ist es also so weit: jeder Bundesbürger, der mindestens 365 Tage alt ist und noch nicht zur Schule geht, hat Anspruch auf Aufnahme in eine Kindertagesstätte. Und die Bundesregierung behauptet, für all diese Bundesbürger stünden genügend Plätze in den Kindertagesstätten zur Verfügung.

Das darf füglich bezweifelt werden.

Für die, trotz Zusicherung der Bundesregierung keinen Platz finden, hat der mitteldeutsche Rundfunk hier zusammengefasst, wie man per Eilverfahren eventuell doch noch zu einem Platz kommen kann. Wobei der Begriff "Eilverfahren" relativ zu sehen ist. Wie lange so ein "Eilverfahren" vor dem Verwaltungsgericht halt dauert.

(C) Foto: lichtkunst.73  / pixelio.de