Donnerstag, 26. September 2013

VG Minden: Auch die Tochter eines Baptisten wird nicht vom Sexualkundeunterricht befreit.

Seit Jahren gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Grundschule Salzkotten und der örtlichen Baptisten-Gemeinde. Die Gemeindemitglieder wollen ihre Kinder von jeher nicht an Karnevalsfeiern und Theaterstücken teilnehmen lassen und gingen deshalb sogar - erfolglos - hoch bis zum europäischen Gerichtshof. Die Kinder blieben trotz Schulpflicht der Schule fern, weshalb gegen einen klagenden Vater bereits wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht 40 Tage Erzwingungshaft verhängt worden waren.
Nunmehr schickte der Vater seine Tochter wiederum nicht zur Schule, weil es dort Sexualkundeunterricht gab.
Er beantragte für seine Tochter Befreiung vom Unterricht; er widerspreche den religiösen Überzeugungen seiner Religionsgemeinschaft. Er sei nicht wertneutral und entspreche nicht der Reife seines Kindes. Das Kind habe schon nach der ersten Unterrichtsstunde einen verstörten Eindruck gemacht und geklagt, es sei über "eklige" Dinge gesprochen worden. Er legte sogar ein ärztliches Attest vor, wonach seine Tochter wegen des Sexualkundeunterrichts mit psychosomatischen Störungen rechnen müsse. Anschließend wurde das Kind durch die Schulärztin untersucht, und auf deren Urteil hin lehnte die Schule die Befreiung vom Sexualkundeunterricht ab.
Die Feststellungsklage des Vaters zum VG Minden blieb ebenfalls erfolglos. Das Verwaltungsgericht wertete das vorgelegte Attest als offenkundige Gefälligkeitsbescheinigung. Konkrete Beobachtungen vor Ort hätten keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass die Tochter durch den Unterricht irgendwie gesundheitlich belastet gewesen sei. Der Unterricht sei altersangemessen und berücksichtige den Reifegrad der Kinder. Vor diesem Hintergrund habe der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag Vorrang vor den religiösen Bedenken der Eltern.

VG Minden, Aktenzeichen 8 K 1623/12 vom 13.9.2013

(C) Foto: Ich-und-Du  / pixelio.de


Freitag, 13. September 2013

Burkini-Pflicht und Konfrontation mit schwarzer Magie - BVerwG zum Konflikt zwischen Religionsfreiheit und Schulpflicht

Wer in Deutschland eine Schule besucht, muss damit rechnen, mit Lebenssachverhalten konfrontiert zu werden, von denen er eigentlich lieber nichts wissen möchte. Das passiert insbesondere, wenn ihm aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft Dinge verwehrt sind, die für andere selbstverständlich sind und deshalb in Deutschland sogar auf dem Lehrplan stehen. Mit zwei solchen - ähnlich gelagerten - Sachverhalten hatte sich jetzt das Bundesverwaltungsgericht auseinanderzusetzen:

Im ersten Fall wollte eine elfjährige Muslimin am Schwimmunterricht nicht teilnehmen, obwohl dieser in Hessen auf dem Lehrplan steht. Es verstoße gegen ihre religiösen Pflichten, sich in Gegenwart fremder Dritter zu entblößen, indem Sie Badekleidung trage, ferner auch, wenn Sie den Anblick männlicher Mitschüler in Badekleidung ertragen müsse.
Im zweiten Fall wehrte sich ein dreizehnjähriger Angehöriger der Zeugen Jehovas dagegen, im Rahmen des Deutschunterrichts den Film "Krabat" mit ansehen zu müssen. Der Film, der auf den international renommierten Kinderbuch von Ottfried Preußler basiert, beschäftige sich mit schwarzer Magie. Zu den religiösen Pflichten der Zeugen Jehovas gehöre jedoch, jeglichen Kontakt mit schwarzer Magie zu vermeiden.

In beiden Fällen entschied das Bundesverwaltungsgericht pro Schulpflicht:Verstößt der Inhalt einer schulischen Unterrichtsveranstaltung aus Sicht einzelner Schüler oder ihrer El tern gegen für sie maßgebliche religiöse Vorgaben, rechtfertigt dies im Regelfall keinen Anspruch auf Unterrichtsbefreiung, so das Gericht. Bezogen auf die beiden Einzelfälle argumentierten die Richter wie folgt:

Die Muslimin könne im Schwimmunterricht dem Bekleidungsvorschriften ihres Glaubens dadurch Rechnung tragen, dass sie einen Burkini, also einen Badeanzug trage, der sie weit gehend verhülle. Den Anblick halbnackter Jungen müssen Sie hinnehmen: Das Grundrecht der Glaubensfreiheit vermittele grundsätzlich keinen Anspruch darauf, im Rahmen der Schule nicht mit Verhaltensgewohnheiten Dritter - einschließlich solcher auf dem Gebiet der Bekleidung - konfrontiert zu werden, die außerhalb der Schule an vielen Orten bzw. zu bestimmten Jahreszeiten im Alltag verbreitet seien (Urteil vom 11.09.2013 - 6 C 25.12)..

Auch der Zeuge Jehovas sei verpflichtet, an der Filmvorführung teilzunehmen. Das von ihm geltend gemachte religiöse Tabuisierungsgebot im Hinblick auf die schwarze Magie laufe der schulischen Aufgabe, die nachwachsende Generation vorbehaltlos und möglichst umfassend mit Wissensständen der Gemeinschaft und ihrem geistig-kulturellen Erbe vertraut zu machen, in ihrem Kern zuwider (Urteil vom 11.09.2013 - 6 C 12.12).

In beiden Fällen hatte also die Religionsfreiheit hinter die Schulpflicht zurückzutreten.

C) Foto Sternschuppe1 auf www.pixelio.de

Sonntag, 25. August 2013

OVG Lüneburg schränkt Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ein - Bienensterben soll vermieden werden.

Wer das Sterben der Bienen beklagt, ist nicht etwa ein alternativ abgedrifteter Ökopax, sondern jemand, der knallhart wirtschaftlich denkt: Bienen produzieren nicht nur leckeren Honig (im Jahre 2012 in Deutschland 25.000 Tonnen), sondern sind weltweit auch für das Bestäuben von 70-80 % aller Nutzpflanzen zuständig. Vereinfacht ausgedrückt: Verschwinden die Bienen, herrscht Hungersnot. Unter diesem Gesichtspunkt kann es durchaus als dramatisch bezeichnet werden, dass in den vergangenen Wintern europaweit etwa 53 % der Honigbienenvölker gestorben sind.

Um die Nahrungsmittelproduktion aufrechtzuerhalten, werden weltweit die abenteuerlichsten Maßnahmen ergriffen. Die USA importieren Millionen von Bienenvölkern, um die Bestäubung ihrer Nutzpflanzen sicherzustellen. Im Süden Chinas, in dem die Bienen fast ganz verschwunden sind, sammeln hunderte von Arbeitern Pollen ein und verteilen ihn mit Hühnerfedern auf den Bäumen (zu den Details vergleiche http://www.heise.de/tp/artikel/39/39414/1.html. ). Rechnet man deren Arbeitsaufwand auch nur mit einem Mindest-Stundenlohn hoch, generieren Honigbienen nur durch ihre "Bestäubungs-Arbeit" einen wirtschaftlichen Wert von weltweit 14,6 Milliarden $ jährlich.

Größter Feind der Bienen sind Pflanzenschutzmittel, zum Beispiel der Blattlaus-Bekämpfer Tamaron, hergestellt von der Firma Bayer CropScience. Dieses Mittel hat beispielsweise im Frühsommer 2008 allein in Baden-Württemberg 11.500 Bienenvölker das Leben gekostet, weil großflächig ausgesetzter Mais mit diesem Insektizid gebeizt wurde.

Und gegen die exzessive Anwendung genau dieses Mittels hat sich nun das OVG Lüneburg (Urteile vom 20.8.2013 - 10 LC 113/11 und 10 LC 131/11) gewendet. Es hat die Nutzung von Tamaron nicht nur für den Fall untersagt, in dem feststeht, dass landwirtschaftliche Nutzflächen, die mit diesem Mittel behandelt sind, während dessen Wirkzeit von Bienen zwecks Nahrungssuche angeflogen werden. § 2 Abs. 1 Nr.  2 der Bienenschutzverordnung verbiete die Anwendung des Mittels bereits dann, wenn auch nur damit zu rechnen sei, dass Bienen in das behandelte Gebiet einfliegen. Und das sei im vorliegenden Fall so gewesen:

Der Betroffene Landwirt habe Ende Juli 2006 seine Kartoffelfelder mit dem genannten Pflanzenschutzmittel behandelt. Seine Kartoffelpflanzen seien zu diesem Zeitpunkt stark mit Blattläusen befallen gewesen; dadurch habe sich bereits Honigtau gebildet, der die Bienen angelockt habe, die in der Folge massenhaft verendet seien. Der Landwirt hätte das Mittel nur vor der Honigtau-Bildung anwenden dürfen oder aber auf Pflanzenschutzmittel zurückgreifen müssen, die für Bienen ungefährlich sind.

Das OVG Lüneburg hat die Revision nicht zugelassen.

(C) Foto: luise  / pixelio.de

Freitag, 23. August 2013

Anwaltskosten bei Filesharing-Abmahnungen möglicherweise gedeckelt

Gute Nachrichten für die Eltern von Jugendlichen, die im Internet unerlaubt Musik saugen: Verboten ist es natürlich noch immer - aber möglicherweise kommen auf die Beteiligten in Zukunft weniger hohe Kosten zu. Einer Information der Hamburger Verbraucherzentrale zufolge gibt es in einem Abmahn-Verfahren vor dem Amtsgericht Hamburg (Az. 31 a C 109/13) jetzt einen Hinweis-Beschluss des Gerichts, nachdem der Streitwert solcher Verfahren deutlich geringer anzusetzen ist als bislang von den meisten Gerichten gehandhabt.

Bei vielen im privaten Bereich begangenen Urheberrechtsverstößen käme nach Auskunft der Verbraucherzentrale dann höchstens noch eine Kostenrechnung für den Anwalt von etwa Euro 150 zu Stande.

Setzt sich diese Ansicht durch, wäre das natürlich das Ende der Abmahnung-Industrie. In der Vergangenheit waren Eltern von musiksüchtigen Jugendlichen mit Rechnungen von bis zu Euro 3000 konfrontiert gewesen.

Zur Klarstellung: Ich rede an dieser Stelle nicht Urheberrechtsverstößen das Wort. Eine Deckelung völlig überhöhter Gebührenforderungen halte ich aber für angemessen. Und wenn die Eltern dann den Kids die geringeren Anwaltskosten vom Taschengeld abziehen, ist der erzieherische Effekt ebenfalls erzielt. Auch der hartnäckigste Rekord-Sauger kann sich ausrechnen, dass er sich für das Geld etwa 200 Titel legal hätte herunterladen können.

Donnerstag, 22. August 2013

Leihmutter-Geschäft macht aus deutschen Paaren noch keine Eltern - auch wenn ein kalifornisches Gericht die Elternschaft festgestellt hat

Die Antragsteller, zwei in einer registrierten Lebenspartnerschaft zusammenlebende deutsche Männer hatten mit einer amerikanischen Staatsangehörigen einen Leihmutter-Vertrag abgeschlossen. Daraufhin trug diese Frau für die beiden Männer ein Kind aus, dass aus dem Sperma eines der beiden Männer sowie aus einer anonymen gespendeten Eizelle gezeugt war. Im April 2011 erkannten die beiden Männer einem kalifornischen Gericht gegenüber ihre Vaterschaft an, worauf dieses Gericht dann dem Anerkenntnis gemäß die Vaterschaft feststellte.

Daraufhin beantragte das Paar beim Standesamt in Deutschland seine Eintragung als Eltern in das Geburtenregister - und fing sich eine Ablehnung ein, die nun letztlich sogar das Kammergericht Berlin bestätigte  (Beschluss vom 01.08.2013, Az.: 1 W 413/12). Die Entscheidung des kalifornischen Gerichts sei mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar (Verstoß gegen den ordre public). Ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis könne in Deutschland nur durch Abstammung oder aufgrund einer Annahme als Kind entstehen; eine Leihmutterschaft sei sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich unzulässig.

Die besondere Beziehung des ungeborenen Lebens mit der Mutter verbiete eine Übernahme von Schwangerschaften als eine Art Dienstleistung. Das Kind sei mit der Mutter, die es gebäre, in besonderer Weise verbunden und werde in seiner Identitätsfindung gefährdet, wenn es von einer Leihmutter ausgetragen werde. Ferner habe jedes Kind ein Recht auf Kenntnis seiner tatsächlichen Abstammung. Bei einer Leihmutterschaft, bei der anschließend jemand anders die Elternschaft übernehme, würden dem Kind die Möglichkeit dieser Information aber vor enthalten, wenn die Leihmutter nicht im Register genannt werde. Im Hinblick auf die Menschenwürde des Kindes habe der deutsche Gesetzgeber diese Grundsatzentscheidung getroffen.

Das Kammergericht ließ aber ausdrücklich offen, ob nicht eventuell die Möglichkeit einer Registereintragung des Sperma-Spenders einerseits und der Leihmutter andererseits im Geburtenregister möglich sei (etwas Derartiges war nicht beantragt worden) und ließ überdies die Rechtsbeschwerde zum BGH zu.

(C) Foto: RalphH  / pixelio.de

Mittwoch, 21. August 2013

Girokonto für jeden - Auch bei Schulden und Insolvenz.

Kein Girokonto haben - das kommt einer Stigmatisierung gleich. Trotzdem haben in Deutschland zwischen 600.000 und 1.000.000 Bundesbürger kein Konto - weil keine Bank mit Ihnen zu tun haben will. Grund: starke Verschuldung oder gar Überschuldung. Die Folge: Diesen Mitbürgern ist der bargeldlose Zahlungsverkehr unmöglich, etwas, was in heutigen Zeiten essenzielle Nachteile zur Folge hat.

Die EU-Kommission will diesem Übel schon seit einiger Zeit abhelfen: Nach einem von der Kommission unterbreiteten Richtlinienvorschlag soll künftig jeder Verbraucher einen Anspruch auf ein Guthabenkonto mit bestimmten grundlegenden Funktionen haben. Die EU-Staaten müssen nach diesem Vorschlag garantieren, dass mindestens eine Bank pro Mitgliedsland ein solches Konto zu angemessenen Gebühren anbietet.

Aber: Die EG-Mühlen mahlen bekanntlich langsam. Die Sache zieht sich. Der von der SPD dominierte Bundesrat hat daher ein Gesetz eingebracht (BT-Drs. 17/14363), nachdem die Verpflichtung zur Führung solcher Konten in Deutschland bereits vorzeitig eingeführt wird. Ein solches Gesetz müsste dann zwar einer eventuell folgenden EU-Richtlinie wieder angepasst werden. Jedenfalls wäre aber der groben Nachteil kurzfristig beseitigt, den die betroffenen Bundesbürger derzeit haben.
Die CDU/FDP-Bundesregierung lehnt diesen Vorstoß ab. Man will die EG-Richtlinie abwarten. Auf nationaler Ebene eine gesetzliche Regelung vorzubereiten, die nach Abschluss der Verhandlungen über die EU-Richtlinie tief greifend geändert werden müsse, sei "nicht zielführend".

(C) Foto: Torben Wengert auf www.pixelio.de

Dienstag, 20. August 2013

Familienurlaub in Ägypten geplant? - So funktioniert's mit dem Storno.

Ägypten ist eins der beliebtesten Reiseziele der Deutschen - oder war es das jedenfalls bis vor kurzem. Angesichts der derzeitigen Unruhen gehört schon eine erhebliche Portion Unverfrorenheit dazu, jetzt noch eine Besichtigungstour zu den Pyramiden von Gizeh zu versuchen. Was aber, wenn Sie die Reise bereits gebucht haben? Dann können Sie zwar jederzeit stornieren, müssten allerdings eine Stornogebühr bezahlen, es sei denn...

... Ihr Storno hat seinen Grund in höhere Gewalt. Und das ist bei einer Reise an den höheren Nil im Moment nicht mehr von der Hand zu weisen. Sharm el Sheik am Roten Meer scheint noch sicher zu sein. Von Reisen nach Kairo und Oberägypten rät das auswärtige Amt inzwischen aber dringend ab.
Und damit ergibt sich die Möglichkeit, auch noch kurzfristig kostenfrei zu stornieren. Wie das geht, erläutert das Bundesjustizministerium aktuell auf seinen Internetseiten.

(C) Foto: Katharina Wieland Müller  / pixelio.de