Wer in Deutschland eine Schule besucht, muss damit rechnen, mit Lebenssachverhalten konfrontiert zu werden, von denen er eigentlich lieber nichts wissen möchte. Das passiert insbesondere, wenn ihm aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft Dinge verwehrt sind, die für andere selbstverständlich sind und deshalb in Deutschland sogar auf dem Lehrplan stehen. Mit zwei solchen - ähnlich gelagerten - Sachverhalten hatte sich jetzt das Bundesverwaltungsgericht auseinanderzusetzen:
Im ersten Fall wollte eine elfjährige Muslimin am Schwimmunterricht nicht teilnehmen, obwohl dieser in Hessen auf dem Lehrplan steht. Es verstoße gegen ihre religiösen Pflichten, sich in Gegenwart fremder Dritter zu entblößen, indem Sie Badekleidung trage, ferner auch, wenn Sie den Anblick männlicher Mitschüler in Badekleidung ertragen müsse.
Im zweiten Fall wehrte sich ein dreizehnjähriger Angehöriger der Zeugen Jehovas dagegen, im Rahmen des Deutschunterrichts den Film "Krabat" mit ansehen zu müssen. Der Film, der auf den international renommierten Kinderbuch von Ottfried Preußler basiert, beschäftige sich mit schwarzer Magie. Zu den religiösen Pflichten der Zeugen Jehovas gehöre jedoch, jeglichen Kontakt mit schwarzer Magie zu vermeiden.
In beiden Fällen entschied das Bundesverwaltungsgericht pro Schulpflicht:Verstößt der Inhalt einer schulischen Unterrichtsveranstaltung aus Sicht einzelner Schüler oder ihrer El tern gegen für sie maßgebliche religiöse Vorgaben, rechtfertigt dies im Regelfall keinen Anspruch auf Unterrichtsbefreiung, so das Gericht. Bezogen auf die beiden Einzelfälle argumentierten die Richter wie folgt:
Die Muslimin könne im Schwimmunterricht dem Bekleidungsvorschriften ihres Glaubens dadurch Rechnung tragen, dass sie einen Burkini, also einen Badeanzug trage, der sie weit gehend verhülle. Den Anblick halbnackter Jungen müssen Sie hinnehmen: Das Grundrecht der Glaubensfreiheit vermittele grundsätzlich keinen Anspruch darauf, im Rahmen der Schule nicht mit Verhaltensgewohnheiten Dritter - einschließlich solcher auf dem Gebiet der Bekleidung - konfrontiert zu werden, die außerhalb der Schule an vielen Orten bzw. zu bestimmten Jahreszeiten im Alltag verbreitet seien (Urteil vom 11.09.2013 - 6 C 25.12)..
Auch der Zeuge Jehovas sei verpflichtet, an der Filmvorführung teilzunehmen. Das von ihm geltend gemachte religiöse Tabuisierungsgebot im Hinblick auf die schwarze Magie laufe der schulischen Aufgabe, die nachwachsende Generation vorbehaltlos und möglichst umfassend mit Wissensständen der Gemeinschaft und ihrem geistig-kulturellen Erbe vertraut zu machen, in ihrem Kern zuwider (Urteil vom 11.09.2013 - 6 C 12.12).
In beiden Fällen hatte also die Religionsfreiheit hinter die Schulpflicht zurückzutreten.
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